Das erste Gesetz der Magie - 1
fühlte sich, als erwachte sie aus einem Alptraum: die Worte der Seelen, die Ermordung der Schlammenschen, daß sie in die Weite Agaden zu Shota ziehen mußten, um das Kastchen zu finden. Der Gedanke an die Hexe ließ sie innerlich zusammenzucken. Die anderen Ältesten standen über sie gebeugt und halfen ihnen auf die Beine. Alle machten grimmige Gesichter. Die Tranen standen ihr wieder in den Augen. Sie unterdruckte sie.
Der Vogelmann stieß die Tür auf. Die Nachtluft draußen war kalt, der Sternenhimmel klar.
Die Wolken waren verschwunden. Sogar die Schlangenwolke.
Bis Tagesanbruch war es weniger als eine halbe Stunde, und bereits jetzt hatte der Himmel im Osten einen Hauch von Farbe. Ein Jäger mit ernstem Gesicht reichte ihnen die Kleider und Richard sein Schwert. Sie zogen sich wortlos an und gingen nach draußen.
Eine Phalanx aus Jägern und Bogenschützen hatte sich zum Schutz um das Haus der Seelen gestellt. Viele von ihnen waren blutverschmiert. Richard drängte sich vor den Vogelmann.
»Sagt mir, was geschehen ist«, sagte er mit ruhiger Stimme.
Ein Speerträger trat vor. Kahlan blieb an Richards Seite, um zu übersetzen. Dem Mann stand die Wut ins Gesicht geschrieben.
»Der rote Dämon ist aus dem Himmel herabgestiegen. Er trug einen Mann. Er wollte dich.« Mit einem Funkeln in den Augen druckte er Richard die Speerspitze vor die Brust. Mit versteinerter Miene legte der Vogelmann seine Hand auf den Speer und druckte die Spitze fort von Richard. »Als er nur deine Kleider fand, hat er begonnen, Menschen umzubringen. Kinder!« Seine Brust hob sich vor Zorn. »Unsere Pfeile konnten ihm nichts anhaben. Unsere Speere konnten ihm nichts anhaben. Und unsere Hände ebensowenig. Viele von denen, die es versucht haben, wurden von magischem Feuer vernichtet. Dann wurde er noch wütender, als er sah, daß wir Feuer benutzen. Er hat sie alle gelöscht. Anschließend bestieg er wieder den roten Dämon und drohte damit, alle Kinder im Dorf zu töten, sollten wir wieder ein Feuer entzünden. Mittels Zauberkraft ließ er Siddin durch die Lüfte schweben und klemmte ihn sich unter den Arm. Als Geschenk für einen Freund, wie er sagte. Und dann flog er fort. Und wo waren du und dein Schwert?«
Savidlin hatte Tränen in den Augen. Kahlan preßte gegen den reißenden Schmerz in ihrem Herzen die Hand an die Brust. Sie wußte, für wen das Geschenk bestimmt war.
Der Mann spuckte Richard an. Savidlin wollte auf ihn losgehen, doch Richard hielt ihn mit einer Handbewegung zurück.
»Ich habe die Stimmen der Seelen eurer Vorfahren gehört« , erklärte Savidlin. »Er kann nichts dafür!«
Kahlan legte den Arm um Savidlin und tröstete ihn. »Sei stark. Wir haben ihn einmal gerettet, als er verloren schien. Wir werden ihn wieder retten.«
Er nickte tapfer. Sie zog sich zurück. Richard erkundigte sich leise, was sie Savidlin erzählt hatte.
»Eine Lüge«, antwortete sie. »Um seinen Schmerz zu lindern.«
Richard nickte. Er hatte verstanden. Er wandte sich an den Mann mit dem Speer.
»Zeige mir die Toten«, sagte er emotionslos.
»Wozu?« wollte der Mann wissen.
»Damit ich nie vergesse, warum ich den töten werde, der dies getan hat.«
Der Mann sah kurz wütend zu den Ältesten hinüber, dann führte er sie alle in die Mitte des Dorfes. Kahlan setzte ihren leeren Gesichtsausdruck auf. Sie hatte solche Anblicke bereits viel zu oft gesehen, in anderen Dörfern, an anderen Orten. Wie erwartet war es das gleiche wie immer. Aufgereiht vor einer Wand lagen die zerfetzten und zerstückelten Leichen von Kindern, die verkohlten Leichen der Männer, die toten Frauen, einige ohne Arme, ohne Kiefer. Die Nichte des Vogelmannes war unter ihnen. Richard zeigte keine Regung, als er durch das Chaos aus kreischenden und klagenden Menschen schritt, vorbei an den Toten, die er betrachtete wie die Ruhe im Auge eines Wirbelsturmes. Oder ein Blitz kurz vor dem Einschlag, dachte Kahlan.
»Sieh an, was du uns beschert hast« , zischte der Mann. »Das ist deine Schuld!«
Richard sah, wie einige nickten, und blickte dem Mann mit dem Speer in die Augen. Seine Stimme war sanft.
»Gib mir ruhig die Schuld, wenn dieser Gedanke deinen Schmerz lindert. Ich ziehe es vor, die Schuld dem zu geben, an dessen Händen noch das Blut klebt.« Er sprach zum Vogelmann und den anderen Dorfältesten. »Benutzt kein Feuer, bis das hier vorbei ist. Das würde ihn nur zu weiterem Gemetzel reizen. Ich schwöre, ich werde diesen Mann aufhalten oder bei dem
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