Das erste Gesetz der Magie - 1
Feuers auf den dunklen Ästen unter dem Baum. »Giller helfen«, meinte die Puppe.
Sie rollte herum, stützte sich auf einen Ellenbogen und sah die Puppe an.
»Giller helfen?«
Die Puppe nickte. »Giller helfen.«
Die Strahlen der untergehenden Sonne fielen von vorn im spitzen Winkel auf die Laubschicht und brachten den Pfad inmitten der dunklen Masse des Waldes zum Glühen. Richard hörte, wie Kahlan mit den Stiefeln gegen Steine stieß, die unter der farbenfrohen Decke verborgen lagen. Ein leichter Modergeruch lag in der Luft. Wo der Wind das Laub zusammengetragen hatte, in den feuchten Mulden und in großen Haufen im Schutz der Felsen, begann es zu faulen.
Obwohl es kalt wurde, trugen weder Richard noch Kahlan ihren Umhang. Bei dem Tempo, das Old John vorlegte, war ihnen warm geworden. Immer wieder riß Richard seine Gedanken von Zedd los, denn er mußte fast rennen, um Schritt halten zu können. Als er feststellte, wie sehr er außer Atem geriet, verbannte er Zedd endgültig aus seinen Gedanken. Irgend etwas stimmte nicht.
Endlich räumte er diesem Unbehagen einen Platz in seinen Gedanken ein. Wie konnte ihn ein alter Mann derart abhängen und dabei frisch und entspannt wirken? Richard fuhr sich mit der Hand an die Stirn. War er vielleicht krank, hatte er Fieber? Er fühlte sich tatsächlich heiß an. Vielleicht war er nicht gesund, vielleicht stimmte etwas mit ihm nicht. Seit Tagen hatten sie sich mächtig angestrengt, wenn auch nicht so wie jetzt. Nein, er war in Ordnung. Er war nur außer Atem. Eine Weile lang beobachtete er Kahlan, die vor ihm ging. Auch sie hatte Mühe, Schritt zu halten. Sie wischte sich ein Spinnennetz aus dem Gesicht und hetzte dem alten Mann hinterher. Richards Unbehagen wich einer dunklen Vorahnung.
Aus den Augenwinkeln sah er drüben links im Wald etwas, das sich ebenso schnell bewegte wie sie. Vermutlich nur ein kleines Tier. Aber es schien lange Arme zu haben, die über den Boden schleiften. Dann war es verschwunden. Sein Mund war wie ausgetrocknet. Alles Einbildung, versuchte er sich einzureden.
Er richtete sein Augenmerk wieder auf Old John. An manchen Stellen war der Pfad breit, an anderen, wo die Äste tief herunterreichten, schmal. Manchmal streiften Kahlan und Richard sie, oder sie schoben sie einfach aus dem Weg. Nicht so der Alte. Er hielt sich strikt in der Mitte des Pfades, wich jedem Ästchen aus und raffte seinen Umhang fest um sich.
Richards Blick fiel auf ein Spinnennetz, das golden in der untergehenden Sonne glitzerte und vor Kahlan quer über den Weg gespannt war. Beim Hindurchgehen zerriß sie das Netz mit dem Oberschenkel.
Der Schweiß auf seinem Gesicht war augenblicklich erkaltet. Wieso hatte Old John das Netz nicht zerrissen?
Er sah nach oben und erblickte einen Ast, dessen Spitze in den Weg hineinragte. Der Alte wich aus. Aber nicht ganz. Die Spitze ging durch seinen Arm hindurch wie durch Rauch.
Sein Atem beschleunigte sich, als er die Fußspuren untersuchte, die Kahlan an einer Stelle mit weicherem Boden hinterlassen hatte. Von Old John waren keine zu sehen.
Blitzschnell packte Richard Kahlan am Hemd und riß sie hinter sich. Sie schrie überrascht auf. Er stieß sie zurück und zog mit der Rechten das Schwert.
Old John blieb halb umgedreht stehen, als er das Klirren des Schwertes hörte.
»Was gibt’s, Junge? Hast du etwas gesehen?« Seine Stimme klang wie das Zischen einer Schlange.
»Allerdings.« Richard packte das Schwert mit beiden Händen, ging in Verteidigungsstellung. Seine Brust hob sich. Er spürte, wie sein Zorn seine Angst überflutete. »Wieso zerreißen die Spinnennetze nicht, wenn du hindurchgehst? Wieso hinterläßt du keine Fußspuren?«
Old John setzte ein träges, verschlagenes Lächeln auf und musterte ihn mit einem Auge. »Glaubst du vielleicht, der alte Freund eines Zauberers verfügt über keine besonderen Fähigkeiten?«
»Schon möglich«, sagte Richard. Sein Blick wanderte hin und her. »Aber sag doch mal, Old John, wie heißt dein alter Freund eigentlich?«
»Wieso? Zedd natürlich.« Er zog die Brauen hoch. »Wie sollte ich das wissen, wenn er nicht ein alter Freund von mir wäre?« Er hatte seinen Umhang fest um sich gerafft. Sein Kopf versank zwischen seinen Schultern.
»Ich habe dir dummerweise verraten, daß er Zedd heißt. Aber jetzt verrate du mir doch seinen Familiennamen.«
Old John musterte ihn mit finsterer Miene. Seine Augen bewegten sich langsam, abschätzend. Die Augen eines Tieres.
Mit einem
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