Das erste Gesetz der Magie - 1
seinem Denkstuhl, bis er das Problem gelöst hatte, das ihn gerade beschäftigte. Einmal hatte er drei Tage hintereinander dort gesessen und dahinterzukommen versucht, warum die Menschen ständig über die Zahl der Sterne stritten. Ihm war das egal. Er fand das unwichtig und fragte sich nur, wieso die Menschen sich solange bei diesem Thema aufhielten. Schließlich war er aufgestanden und hatte verkündet, der Grund sei der, daß jeder zu diesem Punkt seiner tiefsten Überzeugung Ausdruck verleihen könne, ohne befürchten zu müssen, man könne ihn widerlegen. Denn niemand konnte die Antwort wissen. Diese Narren brauchten keinen Widerspruch zu fürchten, wenn sie sich als Experten ausgaben. Die Frage war geklärt, und Zedd war anschließend ins Haus gegangen und hatte glatt drei Stunden lang gespeist.
Richard rief nach ihm, bekam aber keine Antwort. Er lächelte Kahlan an. »Ich wette, er steckt hinten auf seinem Wolkenstein, wo er die neuesten Wolkenformationen studiert.«
»Wolkenstein?« fragte Kahlan.
»Dort steht er am liebsten, wenn er die Wolken beobachtet. Frag mich nicht, warum. Seit ich ihn kenne, läuft er los, sobald er eine interessante Wolke sieht, und beobachtet sie von diesem Felsen aus.« Richard war mit diesem Felsen aufgewachsen und fand das Verhalten nicht seltsam. Es gehörte einfach zu dem Alten dazu. Aber Zedd hatte auch seine Überspanntheiten.
Die beiden liefen durch das hohe, wilde Gras, das das Haus umgab, dann einen Hang hinauf zur Kuppe eines kleinen, kahlen Hügels, auf dem der Wolkenstein stand. Zedd stand, mit dem gekrümmten Rücken zu ihnen, auf dem flachen Felsen und streckte seine spindeldürren Arme aus. Sein welliges, weißes Haar fiel hinten herab, da er den Kopf mit prüfendem Blick in den Nacken gelegt hatte.
Zedd war splitternackt.
Richard verdrehte die Augen, Kahlan senkte den Blick. Seine blasse, ledrige Haut, die lose über die vorspringenden Knochen drapiert schien, verlieh ihm das Aussehen eines trockenen, spröden Ästchens. Aber wie Richard wußte, war er alles andere als spröde. Seine Hinterbacken ließen jede Polsterung vermissen, und die Haut dort hing schlaff herab.
Er hob einen knorrigen Finger und deutete in den Himmel. »Ich wußte, du würdest kommen, Richard.« Seine Stimme war so dünn wie alles an ihm.
Der schlichte, schmucklose Umhang, der seine einzige Kleidung bildete, lag hinter ihm. Richard bückte sich und hob ihn auf, während Kahlan sich umdrehte, um jede weitere Peinlichkeit zu vermeiden. »Zedd, wir sind nicht allein. Zieh dich an.«
»Weißt du, woher ich das wußte?« Noch immer rührte er sich nicht.
»Ich würde sagen, es hat etwas mit der Wolke zu tun, die mir die letzten paar Tage gefolgt ist. Hier, ich helfe dir beim Anziehen.«
Zedd fuchtelte aufgeregt mit den Armen herum. »Tage! Blödsinn! Richard, diese Wolke folgt dir schon seit drei Wochen, seit dem Tod deines Vaters! Ich habe dich seit Georges Tode nicht mehr gesehen. Wo hast du gesteckt? Ich habe überall nach dir gesucht. Wenn du es dir in den Kopf gesetzt hast, dich zu verstecken, findet man eher eine Nadel in einem Heuhaufen als dich!«
»Ich hatte zu tun. Halt die Arme hoch, damit ich dir das anziehen kann.« Richard stülpte den Umhang über Zedds ausgestreckte Arme und half ihm, den faltigen Stoff über den schmächtigen Körper zu ziehen, während der alte Mann sich in das Kleidungsstück wand.
»Du hattest zu tun! Und du konntest nicht einmal ab und an einen Blick in den Himmel werfen? Verdammt, Richard. Weißt du, woher diese Wolke kommt?« Zedd hatte die Augen besorgt aufgerissen, die Brauen hochgezogen und die Stirn in Falten gelegt.
»Laß das Fluchen«, sagte Richard. »Ich würde sagen, die Wolke kommt aus D’Hara.«
Zedd riß die Arme in die Höhe. »D’Hara! Eben! Sehr gut, mein Junge! Und jetzt verrate mir, woran du das siehst. An ihrer Substanz? Ihrer Dichte?« Zedd wurde immer aufgeregter, zappelte in seinem Umhang herum, der einfach nicht richtig sitzen wollte.
»Weder noch. Diese Vermutung beruht auf anderem Wissen, wie schon gesagt, Zedd, wir haben Gesellschaft.«
»Ja, ja. Ich habe dich schon beim ersten Mal verstanden.« Die Angelegenheit war mit einer Handbewegung erledigt. »Anderes Wissen, sagst du.« Er strich über sein glattes Kinn. »Das ist gut! Wirklich ausgezeichnet! Hat dir dieses Wissen auch verraten, was für eine üble Geschichte dies ist? Ja, natürlich, das hat es«, beantwortete er die Frage gleich selbst. »Wieso schwitzt
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