Das erste Jahr ihrer Ehe
aber er war schon an ihr vorbei.
Sie beobachtete wie betäubt, wie sich das Gedränge vor den beiden Soldaten und dem Mann öffnete. Sie schritten hindurch, sie passierten die Tür und waren verschwunden.
Margaret setzte sich wieder auf den Plastikstuhl. Sie atmete langsam und flach, ein und aus, um ihre Fassung wiederzuerlangen. Die Begegnung mit Rafiq, die augenblickliche Trennung von ihm waren so schnell erfolgt, dass ihr war, als hätte sie einen Schlag erhalten. Sie starrte auf ein Stück Fliesenboden zu ihren Füßen. Sie hörte nichts. Sie sah nur Rafiq. Seine Botschaft war klar gewesen. Tun Sie etwas für Solomon.
Margaret senkte den Kopf in die Hände. Seit ihrer Ankunft in Kenia war sie bestohlen und ausgeraubt worden, hatte den Tod eines Menschen verschuldet, war vor einem tödlichen Schlangenbiss gerettet worden, war einer Liebe begegnet, die vorüber war, bevor sie begonnen hatte, und hatte ein Kind verloren. Jetzt war sie gebeten worden, etwas für jemanden zu tun, dessen Leben in Gefahr war. Sie hatte zusehen müssen, wie ein Mann, den sie liebte, durch eine Tür aus ihrem Leben verschwand.
Als Margaret sicher war, aufstehen zu können, ging sie zu ihrem Wagen zurück. Sie nickte dem Soldaten am Eingang zu und trat ins Freie hinaus. Neben ihrem Auto stand noch ein Soldat und versuchte, durch das Fenster ins Innere zu sehen.
O Gott, dachte Margaret.
Sie ging zur Fahrerseite, sie wusste, dass sie eine Konfrontation nicht vermeiden konnte.
»Ist das Ihr Wagen, Miss?«
»Ja.«
»Sie dürfen hier nicht parken.«
»Ich musste nur schnell rein, um mich von jemandem zu verabschieden. Jetzt bin ich ja hier. Ich fahre sofort weg.«
»Ich muss Sie verwarnen.«
Margaret sagte nichts.
»Ihr Name, bitte.«
Sie sagte ihn ihm.
»Wir müssen Ihr Fahrzeug durchsuchen.« Er winkte dem Soldaten drinnen an der Tür.
»Warum?«, fragte Margaret.
Keiner der beiden Männer gab ihr eine Antwort. Sie war lange genug im Land, um zu wissen, dass es keinen Sinn hatte, zu protestieren. Aber sie war wütend, als sie aufgefordert wurde, zur Seite zu treten, und der zweite Soldat sich neben ihr aufpflanzte, um sie zu bewachen. Der Soldat, der den Wagen inspizieren wollte, verlangte die Schlüssel, und sie warf sie ihm zu. Im Auto fand er eine Jacke von Patrick und eine alte Fantaflasche mit einer toten Fliege darin, Krümel und Einwickelpapierchen und, im Kofferraum, Margarets alten Trenchcoat, den sie schon eine Weile suchte. Er forderte sie auf, ihm den Fotoapparat auszuhändigen. Als sie ihn widerwillig übergeben hatte, öffnete er ihn und riss den Film heraus. Margaret zuckte zusammen, als hätte ihr jemand ein Pflaster von der Haut gerissen.
Der Soldat schloss den Kofferraum und die Türen und reichte ihr die Schlüssel. »Darf ich Ihren Reisepass sehen?«, fragte er.
»Der liegt zu Hause«, antwortete Margaret. Sie bekam Angst. Wohin würde das führen?
»Haben Sie sonst etwas dabei, womit Sie sich ausweisen können?«
Margaret dachte nach. Die Wagenpapiere lauteten auf Patricks Namen. In dem kleinen Seitenfach ihrer Fototasche hatte sie immer einen Scheck für Notfälle. Auf dem stand ihr Name. Aber wenn sie dem Soldaten den Scheck anbot, konnte das als Bestechungsversuch ausgelegt werden.
»Darf ich mal in meinem Trenchcoat nachsehen?«, fragte sie.
Der Soldat nickte.
Sie öffnete den Kofferraum und suchte in den Manteltaschen. Sie fand einen Zehn-Schilling-Schein, eine Quittung für eingekaufte Lebensmittel, einen Zettel mit irgendwelchen Notizen in ihrer eigenen Handschrift und eine Honorarabrechnung. Einen Moment war sie im Konflikt, ob sie ihm die Abrechnung zeigen sollte, ohne eine Arbeitserlaubnis vorweisen zu können. Aber ein anderes Ausweispapier hatte sie nicht.
Sie reichte ihm die Abrechnung. Er begutachtete sie und sah dann Margaret an.
»Was tun Sie hier?«
»Ich verkaufe manchmal Fotografien – nur freiberuflich.«
»Und wann läuft Ihr Visum ab?«
»Nächsten Mai«, antwortete sie, obwohl das reine Erfindung war. Sie hatte keine Ahnung, wann ihre Visa abliefen. Patrick ließ sie immer wieder verlängern.
Der Soldat gab Margaret die Honorarabrechnung zurück und winkte sie weiter.
Als Margaret die Wohnungstür öffnete, stand Patrick von dem abscheulichen grünen Sofa auf. »Wo zum Teufel bist du gewesen?«, fragte er.
»Wie spät ist es?«
»Es ist fast ein Uhr morgens.«
Sie legte die Hände auf die Rückenlehne eines Stuhls, um sie ruhig zu halten. »Ich bin angehalten
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