Das erste Jahr ihrer Ehe
aber sie konnte nicht gut Nein sagen. Ihr Arzt hatte ihr grünes Licht gegeben, und Patrick wusste das. Und es wäre ja vielleicht auch ganz schön geworden, hätte nicht Patrick, als er ihre Bluse aufknöpfte, gesagt: »Hast du heute auch deine Pille genommen?«
Margaret verstand nicht gleich. Von welcher Pille sprach er? Sie musste zurzeit alle möglichen Tabletten schlucken.
»Du weißt schon, die kleine rosa Pille.«
Sie rückte von ihm weg, um ihm ins Gesicht sehen zu können. »Du glaubst, ich hätte die Pille vergessen und bin deshalb schwanger geworden?«
»Na ja, ich kann mir nicht vorstellen, wie es sonst passiert sein soll.«
»Du glaubst, ich hätte sie absichtlich vergessen?«
»Nein, nein.« Auf den Ellbogen gestützt, richtete Patrick sich halb auf. »Obwohl du ja immer wieder mal von Kindern gesprochen hast.«
»Ein Mal, soweit ich mich erinnere.«
»Äh, ja. Vielleicht nur ein Mal.«
»Gedenkst du, mich in Zukunft jedes Mal an die Pille zu erinnern, bevor wir miteinander schlafen?«
»Nein, natürlich nicht«, entgegnete er. Sie bemerkte, wie er kurz die Augen verdrehte, ehe er sich besann.
»Können wir das auf morgen verschieben?«, fragte Margaret.
»Ach, vereinbaren wir jetzt Termine?«
Sie schüttelte den Kopf, eher fassungslos als alles andere.
»Na schön«, sagte Patrick. »Dann eben morgen.«
Am Morgen weckte Patrick sie aus tiefem Schlaf. Draußen war es noch dunkel.
»Es ist morgen«, flüsterte er ihr ins Ohr.
Margaret übernahm die Aufträge, die Solomon ihr zuteilte, aber mit Leidenschaft hatte das, was sie tat, nichts mehr zu tun. Sie war wieder bei der Routine der Handshake-Fotos gelandet, was ihr ausnahmsweise nichts ausmachte. Stets betrat sie die Redaktion mit Herzklopfen. Sie wusste innerhalb von Sekunden, ob Rafiq in der Nähe war oder bald erwartet wurde. Wenn Gedanken an ihn an die Oberfläche drängten, drückte Margaret sie weg. Der Schmerz über den Verlust des kleinen beginnenden Lebens jedoch verließ sie nicht, sondern grub sich immer tiefer in sie ein. Und sie konnte nichts dagegen tun.
Wenn Margaret auch nicht mit vollem Schwung in das Leben des Landes hineinspringen konnte, das sie gerade erst kennenlernte, so konnte sie doch wenigstens Tennis spielen. Im Klub waren Menschen jeder Hautfarbe willkommen, und sie machte einige neue Bekanntschaften. Man konnte dort nett zu Mittag essen, und am frühen Abend, nach den letzten Matches, traf man sich an der Bar; die war eher bescheiden, aber immerhin gab es bia baridi , eisgekühltes Tusker.
Der Tennisklub mit seinen Verhaltensregeln und Kleidervorschriften für den Platz wurde Margaret eine Art zweites Zuhause. Er war mit keinerlei Erinnerungen verbunden, und sie verbesserte stetig ihr Spiel, das sie seit der Highschool nicht mehr gepflegt hatte. Sie nahm an einem Turnier teil und belegte einen guten Platz. Am Abend wurde das Turnierende bei einem kalten Büfett gefeiert. Margaret fühlte sich wie eine Sportlerin, die gerade ihre persönliche Bestmarke erreicht hat, und amüsierte sich. Patrick lächelte jedes Mal, wenn er sie ansah. Er glaubte wohl, dachte Margaret, sie wäre jetzt wieder ganz gesund, innerlich und äußerlich.
Eines Abends, als sie gerade essen wollten, klingelte das Telefon. Patrick, der es nie schaffte, es einfach läuten zu lassen, auch wenn der Moment noch so ungünstig war, ging hin. Am Ton seiner Stimme hörte sie, dass er nicht mit einem Freund oder Kollegen sprach, sondern mit irgendjemandem, den er nicht näher kannte.
»Es ist Lily«, sagte er, die Hand über der Sprechmuschel. »Soll ich ihr sagen, dass sie später noch mal anrufen soll?«
»Nein.« Margaret stand schon auf. »Ich rede mit ihr.«
Patrick gab ihr den Hörer und setzte sich wieder an den Tisch.
»Lily?«
»Margaret, hier geht es chaotisch zu. Mr. Obok ist festgenommen worden und Rafiq soll deportiert werden.«
»Was?«
»Sie müssen morgen so früh wie möglich hereinkommen.«
Margaret wusste, dass sie sachlich und neutral bleiben musste, auch wenn sie kaum atmen konnte.
»Warum?«, fragte sie.
»Mr. Obok und Rafiq wird vorgeworfen, sie hätten vorgehabt, Vertreter der Regierung zu verleumden. Sie haben an einem Bericht über ein Massengrab gearbeitet, in dem Studenten verscharrt liegen, die erschossen wurden.«
Es war also doch kein Gerücht.
»Natürlich springe ich ein«, sagte sie zu Lily. »Zum Flughafen also?«
Eine kleine Pause trat ein, während Lily versuchte, aus dieser unerwarteten Frage
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