Das erste Jahr ihrer Ehe
sprang nur die Stufe hinter der Küche hinunter und hockte sich gleich daneben nieder. Schwärme von Nachtfaltern, manche so groß wie kleine Vögel, knallten vom Licht in der Küche angelockt gegen die Glasscheiben der Tür. Als sie fertig war, rannte sie wie gejagt ins Haus. Sie machte die Küchenlampe aus und tastete sich im Mondlicht zu ihren provisorischen Betten. Der Schlafsack war glatt und kühl.
»Ich wollte sie eigentlich mit dem Reißverschluss zusammenkoppeln«, sagte Patrick. Sie schob ihre Hand hoch und umfasste die seine.
»Diana hat gesagt, ein Unglück kommt selten allein«, sagte sie.
»Und du glaubst das?«
»Nein. Ja. Vielleicht.«
»Beim wievielten Unglück sind wir dann gerade?«
»Von wessen Standpunkt aus?«
»Dianas. Sie hat das doch gesagt.«
»Ich habe keine Ahnung«, antwortete Margaret. »Sind es mit den Ameisen und Adhiambo zwei? Oder sind es mit dem Toilettenfiasko, den Ameisen und Adhiambo drei? Oder hat Diana Sorgen, von denen wir nichts wissen?«
»Jetzt wäre eine Rückenmassage schön«, sagte er schläfrig.
»Geht nicht. Du bist zu weit weg.«
»Ich kann ja näherrücken.«
»Gute Nacht, Patrick.«
Margaret hatte Schlaf empfohlen, konnte aber selbst keinen finden. Fieberträume von Ameisen und Euphorbiabäumen quälten sie nicht mehr, dafür überscharfe Bilder von dem, was Adhiambo widerfahren war. Sie sah, wie das Glas splitterte, wie eine windige Tür eingeschlagen wurde. Ein betrunkener Afrikaner – oder war es ein Asiate gewesen? Ein Weißer? – hatte zuerst gebettelt und dann aufgehört zu betteln. Wie jemand, der in der Kneipe keinen Alkohol bekommen hatte und nun entschlossen war, sämtliche Flaschen aus den Regalen zu fegen, hatte er Adhiambo zu Boden geschleudert. Hatte Adhiambo geschrien? Margaret bezweifelte es. Hatte sie sich da schon geschämt? Wäre ein Schrei im abendlichen Gelärme überhaupt wahrgenommen oder, schlimmer, einfach ignoriert worden?
Als Margaret am Morgen erwachte, saß Adhiambo mit ihrem Blusenbündel unter dem Arm auf der Bettkante. Das Bett war tadellos gemacht, für Margaret war nicht zu erkennen, ob sie es überhaupt benutzt hatte. Es war ebenso gut möglich, dass die Frau auf dem Boden geschlafen hatte.
»Guten Morgen«, sagte Margaret, und Adhiambo nickte.
»Alles in Ordnung?«, fragte Margaret.
Die Frau antwortete nicht, versuchte aber auch nicht, ihr Gesicht zu verstecken. Die Beule über ihrem Auge war weiter angeschwollen und hatte sich dunkel verfärbt. An der Lippe hatte sie eine Platzwunde, die aber nicht mehr blutete. Margaret fragte sich, wie viele Verletzungen unter den Kleidern verborgen waren, und versuchte, nicht an die schlimmste Verletzung zu denken.
»Möchten Sie eine Tasse Tee?«, fragte Margaret, und wieder nickte Adhiambo.
»Gut. Ich gehe nur schnell ins Bad und ziehe meinen Morgenrock über.«
Ihr schoss der Gedanke durch den Kopf, dass Adhiambo sich vielleicht über die hässlichen roten Placken auf ihren Armen und Beinen wunderte.
Sie ging an Adhiambo vorbei ins Bad und schloss die Tür. Ihr frisch gewaschener Schlüpfer lag noch ordentlich gefaltet auf der Kommode. Sie schämte sich plötzlich, ihn Adhiambo überhaupt angeboten zu haben. Dass sie sich ein solches Maß an Intimität herausgenommen hatte, war für die Frau wahrscheinlich eine Beleidigung gewesen. Margaret musste daran denken, dass afrikanische Männer niemals die Unterwäsche von Frauen anrühren würden. Vielleicht hielten es auch die afrikanischen Frauen so. Dann bemerkte sie, dass das Handtuch fehlte, das sonst immer in dem Ring neben dem Waschbecken hing. Die Blutungen mussten so stark gewesen sein, dass Adhiambo ein Handtuch gebraucht hatte, um sie zu stillen. Margaret benutzte keine Hygienebinden. Vielleicht konnte Patrick in der Duka welche besorgen, sobald sie öffnete. Margaret durchsuchte den Papierkorb und fand drei winzige Glasscherben.
Adhiambo trank den Tee, aber sonst schien nichts von dem, was Margaret ihr anbot, sie anzusprechen. Margaret versuchte es mit Brot und Marmelade, mit Cornflakes, Eiern, Obst. Adhiambo, sagte sie sich, musste noch unter Schock stehen. Sie verstand nicht, wo James blieb, warum er nicht gleich in aller Frühe herübergeschickt worden war. Sie setzte sich Adhiambo gegenüber und versuchte, mit ihr zu reden.
Adhiambo nahm sehr viel Zucker zu ihrem Tee. Gut, dachte Margaret. Etwas, um die Nachwirkungen des Schocks zu lindern, etwas, um sie auf den Beinen zu halten. Margaret schenkte ihr noch
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