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Das erste Jahr ihrer Ehe

Das erste Jahr ihrer Ehe

Titel: Das erste Jahr ihrer Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
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goss das, was noch darin war, in sein Glas. Saartje hatte eine Hand unter das Kinn geschoben und sah ins Rift hinunter, als wollte sie es mit einem einzigen Blick aufnehmen, was nicht zu machen war. Diana, in Ruhe, wirkte weich und entspannt.
    Ein Augenblick vollkommener Übereinstimmung und Gelöstheit. Der Letzte, den die sechs miteinander erleben würden.
    Unvermittelt stand Diana auf. »Nichts liegen lassen. Keine Essensreste, keine Gegenstände, keinen Müll.«
    Patrick holte widerstrebend seinen Drachen ein.
    »Das machen wir wieder«, sagte Margaret. Nicht zum ersten Mal dachte sie, dass Patrick ein toller Vater werden würde. Er spielte ja selbst so gern.
    Margarets Rucksack war merklich leichter: die Flasche leer, das Brot aufgegessen. Sie trug jetzt ihre Feldflasche selbst, nachdem sie vorher nicht daran gedacht hatte, dass Patrick sie für sie schleppte. Vor der großen Tour, schwor sie sich, würde sie den ganzen Tag Wasser trinken. Sie würde vielleicht ständig pinkeln müssen, aber solchen quälenden Durst wollte sie nie wieder erleben.
    Das Öltuch war eingepackt, Margaret stand wartend da, Willem und Arthur klappten die Hocker zusammen und versuchten, sie wieder in ihren Rucksäcken zu verstauen, was nicht ganz einfach war. Während Margaret den Blick über das Rift schweifen ließ, spürte sie den ersten Stich am Bein, dem innerhalb von Sekunden Dutzende weitere folgten, als stächen Nadeln auf sie ein.
    »Oh«, sagte sie und schlug sich auf die Jeans.
    Die Männer sahen sie verwundert an, aber Diana, die sofort zu Margaret rannte, wusste, was los war. »Verdammt!«, rief sie. »Feuerameisen. Sie steht in einem Nest.«
    Margaret schlug verzweifelt auf ihre Beine ein. Sie blickte abwärts. Eine rote Masse wimmelte um ihre Füße.
    »Rennen Sie weg!«, schrie Diana. »Ziehen Sie Ihre Kleider aus und rennen Sie weg.«
    »Oh«, sagte Margaret wieder und dann noch einmal. Ameisen waren in ihre Stiefel und ihre Jeans eingedrungen und schwärmten ihre Beine hinauf. Ihr war, als fiele Afrika selbst über sie her, als bäumte sich der Boden auf, um sie aufzufressen.
    »Ich brauche ein Handtuch. Schnell!«, rief Diana.
    Margaret öffnete ihren Gürtel und ließ die Jeans zu ihren Waden hinunterfallen, während Saartje und Diana sich bemühten, ihr die Stiefel auszuziehen. Auf ihren Beinen hatten sich schon rote Quaddeln gebildet. Ameisenkolonnen zu Dutzenden krabbelten an ihr hoch, sie konnte sie durch das Nylongewebe ihres Schlüpfers erkennen und versuchte, sie herauszufischen. Als sie merkte, dass das zu lange dauerte, zog sie den Schlüpfer aus und lief von ihm weg. Danach ihre Bluse, ihren Büstenhalter. Diana und Saartje fegten jede Ameise weg, die sie entdeckten. Sie untersuchten ihre Haare.
    »O Gott«, sagte Margaret, während sie sich Ameisen von Rücken und Hals wischte.
    »Saartje«, sagte Diana. »Ich habe Sachen zum Wechseln im Rucksack.«
    Margaret wünschte, sie könnte sich vom Boden erheben und schweben. Sie wusste, dass ihre Verrenkungen zum Lachen gereizt hätten, wäre das Ganze nicht so qualvoll gewesen. Sie bemerkte, dass Willem sich von ihrer Nacktheit abgewandt hatte (Diana und Saartje schienen die Situation gut im Griff zu haben), Arthur und Patrick sie jedoch nicht aus den Augen ließen. Bei ihrem Mann war das zu verstehen, aber was wollte Arthur? Sie schüttelte mit einem heftigen Ruck das Handtuch aus und schlang es um sich. Arthur drehte den Kopf weg, aber nicht ohne dass Diana es bemerkte.
    Dianas Sachen waren Margaret zu klein, die Shorts zu eng, die Bluse nicht lang genug.
    »Was soll ich damit machen?« Margaret wies auf die Sachen, die sie bei ihrer Flucht vor den Ameisen in beinahe gerader Linie hinter sich verstreut hatte. Wie Kleidungsstücke, die auf dem Weg zu einem Bett abgeworfen worden waren.
    »Lassen Sie sie liegen«, sagte Diana. »Rühren Sie sie nicht an. Sie sind immer noch voller Ameisen.«
    Patrick lief hin und holte die Wanderstiefel, schüttelte sie mit ausgestreckten Armen und schleuderte die Socken weg. Er schlug sich auf die Handgelenke. Die Stiefel mussten gerettet werden.
    Die Quaddeln auf Margarets Haut begannen anzuschwellen. Sie waren überall, auf ihrem Gesicht und ihren Armen, auf Brust, Rücken und Beinen.
    »Daran sind schon Menschen gestorben«, sagte Diana. Sie legte Margaret die Hand auf die Stirn, als erwartete sie schon jetzt Fieber. »Ein Glück, dass Sie nicht allein waren.«
    Die Vorstellung von sich allein in den Ngong Wäldern wies

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