Das erste Jahr ihrer Ehe
halten, sie zu begleiten, auch wenn sie noch so nachdrücklich protestierte. Und das wollte sie nicht. Er sollte nicht verzichten müssen. Deshalb musste sie durchhalten.
Tief hängende Wolken hatten sich zusammengeballt. Margaret kannte solche grauen Tage von Winterwanderungen in Neuengland, wenn die kahlen Äste der Bäume sich in einen farblosen Himmel streckten und sie eine dem Wetter verwandte Stimmung in sich fühlte, die ihr alles Leben aus den Adern zu saugen schien. Inmitten der trostlosen Landschaft auf den unteren Hängen des Mount Kenya ergriff Margaret jetzt ein ähnliches Grauen. Nicht einmal der Zug farbenfroher Parkas vor ihr konnte die sich rasch entwickelnde leichte Depression aufhellen. Sie begann nach Sonne zu lechzen.
Den Blick auf ihre Füße gerichtet, schleppte sie sich vorwärts, als ihr auffiel, dass kein Geräusch mehr zu hören war. Sie hob den Kopf, der Zug vor ihr hatte angehalten. Willem stand mit erhobener rechter Hand, genau wie der Führer an der Spitze. Das Signal war unmissverständlich: Halt.
Ein Büffel hatte sich hinter einer Wegbiegung gezeigt. Margaret konnte die charakteristischen ausladenden Hörner erkennen, den massigen bräunlichschwarzen Körper und den sich rhythmisch wiegenden großen Kopf. Die Augen des Tieres konnte sie nicht ausmachen, aber die breite Schnauze war der Gruppe zugewandt. Gleich in den ersten Wochen ihres Aufenthalts hatte Margaret gehört, dass der Büffel das gefährlichste Tier Kenias war, doppelt gefährlich für jeden, der zwischen eine Kuh und ihr Kalb geriet. Der Büffel vor ihnen war ein gewaltiges Tier.
Margaret sah, dass der Führer seine Panga gezückt hatte. Willem hielt seine Schusswaffe so, dass sie zum Boden zeigte. Würden Kugeln diese dicke Haut überhaupt durchdringen? Margaret beobachtete, wie die Reihe vor ihr einen vorsichtigen Schritt rückwärts ging. Um kein Blättchen aufzuwirbeln, kein Steinchen ins Rollen zu bringen, bewegten sich alle mit gleitenden, tastenden Schritten. Der Büffel konnte jeden Moment angreifen. Offensichtlich hielt es der Führer für das Sicherste, sich zurückzuziehen. Selbst Autos waren schon angegriffen und umgestürzt und die Insassen getötet worden.
Niemand schien auch nur zu atmen. Langsam schoben sich die anderen bis zu Margaret hinunter, dann traten sie alle gemeinsam den Rückzug an. Sie verloren ein ganzes Stück an mühsam gewonnenem Terrain. Margaret hatte keine Ahnung, ob sie bis ganz hinunter zum Tor zurückweichen oder irgendwo anhalten und abwarten würden. Sie hatte Geschichten von Expeditionen gehört, die zwei oder drei Stunden lang vollkommen regungslos stehen und warten mussten, bis so ein Büffel endlich weiterzog.
An einer Weggabelung hielten sie an. Margaret bemerkte, dass der Führer mit Diana sprach. Mit Armbewegungen deutete er den Trägern hinter Margaret an, dass die Gruppe den anderen Weg nehmen würde. Wachsam und vorsichtig setzten sie sich wieder in Bewegung, Margaret war das recht. Mindestens eine halbe Stunde lang sprach niemand. Als der Führer es für sicher hielt, wieder mehr Tempo vorzulegen, folgte die Gruppe ihm und Margaret fiel wieder zurück.
Ihre Muskeln waren nicht trainiert genug, sie hatte sich lange Zeit körperlich nicht gefordert. Sie beobachtete, wie Arthur aus der Reihe ausscherte. Er wartete, bis sie mit ihm auf gleicher Höhe war.
»Brauchen Sie jemanden zum Anschieben?«
Margaret versuchte zu lachen, aber die Luftröhre tat ihr weh. »Tut mir leid«, presste sie atemlos heraus. »Ich hätte nicht mitkommen sollen.«
»Unsinn. Wo ich Ihnen so gern zusehe.«
»Das freut mich.«
Instinktiv suchte sie nach Diana, die vorn an der Spitze ging. Neben ihr war Willem und hinter den beiden gingen Saartje und Patrick. Vielleicht war es ganz gut, dass die Paare aufgeteilt waren. Mit einem anderen als dem eigenen Partner an der Seite strengte man sich vielleicht mehr an. Sie merkte, dass sie mit Arthur neben sich tatsächlich besser vorwärtszukommen schien. Sie schaffte es sogar, in kurzen Stößen zu reden.
»Bei den Ameisen haben Sie so gut reagiert«, sagte Arthur.
»Gar nicht wahr.«
»Trotzdem war’s ein Vergnügen.«
Arthur legte ihr die Hand auf den unteren Rücken und versetzte ihr einen leichten Stoß. Die Hand verweilte, als wollte er sie noch einmal anschubsen, aber dann fiel sie herab.
Margaret, der das ganze Unternehmen immer noch Angst machte, war sehr versucht, Arthur zu erlauben, sich um sie zu kümmern. Sie wusste, dass Arthur
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