Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das erste Jahr ihrer Ehe

Das erste Jahr ihrer Ehe

Titel: Das erste Jahr ihrer Ehe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anita Shreve
Vom Netzwerk:
ihr nur zu gern gefällig sein würde. Ihre Schwäche auf dieser Tour machte sie anfällig. Wären sie alle Gnus gewesen, so wäre sie der mutterlose Nachzügler gewesen, leichte Beute für einen Leoparden oder Löwen.
    »Diana ist ja offenbar ganz begierig, zu unserer Unterkunft zu kommen«, sagte Margaret. Sie wollten an diesem Tag zur Met Station.
    »Sie ist immer begierig.«
    »Das ist doch ein schöner Zug.«
    »Natürlich. Ganz hervorragend. So nützlich bei vielem.«
    Sie konnte Arthurs Gesicht nicht sehen. Alle hatten Kapuzen auf, die eng um die Köpfe festgezurrt waren, sodass man kaum Augenbrauen und Lippen erkennen konnte. Arthurs Atem hing leblos in der feuchten Luft.
    »Eigentlich helfen Sie uns«, sagte er.
    »Wieso?«
    »Indem Sie uns bremsen. Willem, Diana und ich wären um die Wette gerannt, jeder hätte Erster sein wollen. Es wäre brutal geworden. In jeder Beziehung wahrscheinlich«, sagte er.
    »Und Saartje?«, fragte Margaret.
    »Saartje?«
    »Sie kommt zurecht?«
    »Sie kommt gut zurecht. Wie im Übrigen auch Sie.«
    Margaret lächelte. »Stimmt.«
    »Sehen Sie?«, sagte Arthur. »Sie haben mich gebraucht.«
    Die meiste Zeit war der Anstieg beschwerlich und unangenehm, es war kalt und nass. Margaret kannte aus ihrem Leben Tage, an denen nur Augen zu und durch gegolten hatte, aber selten war es so unausweichlich gewesen wie auf dem Mount Kenya. Ab einem gewissen Punkt hätte sie nur noch umkehren können, wenn sie Krankheit vorgetäuscht hätte, und das kam für sie nicht infrage. Es gab nur einen Weg, den nach oben, dem, so hoffte sie, ein beschwingter Abstieg folgen würde. Immer wieder suchte sie am Himmel nach einem Riss in den Wolken. Selbst ein schmaler Streifen Blau hätte sie für Stunden aufgebaut. So aber, ohne das Licht der Sonne auf der Landschaft, wurde der Anstieg mehr und mehr zur reinen Kraftprobe. Wozu einen Berg hinaufklettern, wenn man beinahe mit Sicherheit wusste, dass man, einmal auf dem Gipfel, rein gar nichts würde sehen können?
    Sie waren fünfhundertfünfzig Meter gestiegen, um die Met Station zu erreichen. Andererseits hatten sie fünfzehnhundert Meter gewonnen, einen Teil davon im Land- rover, seit sie am Morgen von der Lodge aufgebrochen waren. Der Anstieg vom Parktor zur Met Station sollte drei Stunden dauern. Und wäre nicht Margaret gewesen, so hätten die anderen ihn leicht in dieser Zeit geschafft. So aber brauchten sie beinahe sechs Stunden und waren alle völlig ausgehungert, als sie ankamen, weil sie seit sieben Uhr morgens, einige von ihnen sogar seit dem Vorabend, nichts mehr gegessen hatten.
    An der Met Station stand eine aus Holz gezimmerte Banda, eine Hütte mit einer überdachten Veranda. Die Träger machten ein Feuer, bevor sie das Lager aufschlugen. Die Bergwanderer würden jetzt ein warmes Mittagessen bekommen, das eigentlich schon das Abendessen war. Um das Knurren ihrer Mägen zu stillen, bis das Essen fertig war, bot man ihnen Tee und Bananen an. Sie ließen ihre Rucksäcke fallen und machten es sich auf der Veranda bequem. Willem hatte mit seiner Prophezeiung recht gehabt. Obwohl noch ein Teil des Nachmittags und der ganze Abend vor ihnen lagen, hatte niemand Lust auf Ausflüge, Spiele oder Gespräche. Sie wollten nur etwas zu essen und einen Platz zum Sitzen, später zum Schlafen, wofür, wie sich zeigte, längs aufgestellte Feldbetten in der Banda vorgesehen waren. Zehn insgesamt.
    Eine Dreiviertelstunde nach der Gruppe waren, frisch und froh, drei junge deutsche Kletterer an der Met Station eingetroffen. Sie sprachen genug Englisch, um der Höflichkeit Genüge zu tun. Sie hatten vorgehabt, direkt zum Mackinder’s Camp zu gehen, berichteten sie, seien aber mit Verspätung aufgebrochen. Diana erklärte, es sei gut, dass sie nicht weitergegangen waren. Die Met Station sei vor allem als nächtliche Zwischenstation gedacht, die Kletterern die Möglichkeit bot, sich zu akklimatisieren. Die Deutschen lächelten. Es war nicht zu erkennen, ob sie es taten, weil sie Diana kurios fanden oder weil sie dankbar waren, an diesen wichtigen Faktor erinnert zu werden.
    Ebenso wenig war zu erkennen, ob sich von hier überhaupt ein Ausblick bot. Noch immer war alles von tief hängenden Wolken verhüllt. Die Dunkelheit kam hier oben schon gegen sieben. Damit jeder sich sein Lager suchen und für die Nacht zurechtmachen konnte, hatte man drinnen an der Tür des Schlafraums eine Laterne aufgehängt. Zur Latrine begleitete einen ein Träger. Eine Taschenlampe wurde

Weitere Kostenlose Bücher