Das erste Jahr ihrer Ehe
Klassenzimmer und forderte mit Leidenschaft besseres Unterrichtsmaterial sowie die längst fällige Freigabe von Mitteln zur Erweiterung der Unterrichtsräume. Am Ende reichte man sich höflich die Hand, dann gingen Rafiq und Margaret.
»Würde es Ihnen etwas ausmachen«, fragte Margaret, als sie auf dem Weg zum Auto waren, »einen Rundgang durch den Garten anzuhängen? Ich würde so gern noch einen Moment diese herrlichen Blumen genießen.«
»Aber gern.«
Rafiq entdeckte ein schmiedeeisernes Tor, das in den Garten führte. Es war ein freundlicher Tag, die Temperatur lag bei etwas über zwanzig Grad.
»Wie ist es Ihrer Meinung nach gelaufen?«, fragte Margaret, während sie gemächlich einen Fußweg entlanggingen. Sie stellte fest, dass Rafiq fast einen Kopf größer war als sie. Er ging mit den Händen in den Hosentaschen.
»Gut«, sagte er. »Ich hätte den Artikel allerdings auch schreiben können, ohne überhaupt hierherzukommen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Sie ist eine aufrichtige und sympathische Frau, aber das meiste von dem, was sie erzählte, hätte ich vorhersagen können. Und wenn man auch nie voraussehen kann, was Kinder sagen werden, war mir doch der allgemeine Tenor der Kommentare schon vorher klar. Mir sind Arbeiten lieber, in die ich mich richtig verbeißen muss, bei denen ich die Antworten nicht schon kenne, bevor ich die Fragen stelle. Erst heute Morgen habe ich daran gedacht, mal direkt nach Mathari hineinzugehen, um hinter die Kulissen zu schauen und zu erfahren, wie die Leute dort wirklich leben und was sie denken, und dann vielleicht etwas in Richtung ›Hoffnung unter den Ärmsten‹ zu schreiben. Die Tribune hat schon diverse Beiträge über Mathari gebracht – ich habe im Archiv nachgesehen –, aber da ging es in letzter Zeit immer um die Planieraktionen und die Kommentare der Behörden, die sie angeordnet hatten. Mir schwebt etwas anderes vor. Dazu muss man natürlich erst einmal jemanden finden, der einem vertraut; jemanden, der bereit ist, mit einem Asiaten offen zu sprechen. Die Afrikaner sind Asiaten gegenüber in der Regel eher misstrauisch.«
»Ich würde gern mitkommen, wenn Sie das machen«, sagte Margaret.
»Ja«, sagte er und blickte sie kurz an. »Natürlich.«
Sie gingen durch das Blumenmeer. Der üppige Garten war in Kenia ein alltägliches Stück Paradies. Margaret überlegte, was sie als Nächstes sagen sollte.
»Ich kenne da vielleicht jemanden«, sagte sie.
Rafiq sah sie gespannt an.
»Zwar nicht in Mathari, aber in einem genauso schlimmen Viertel. Ich kenne eine Frau, die vielleicht bereit wäre, mit Ihnen zu reden. Dürfen Sie für Interviews bezahlen?«
»In manchen Fällen, ja. Nur bekommen es meistens die falschen Leute. Die Zeitung bezahlt zum Beispiel die Minister für Interviews. Die, die das Geld am wenigsten brauchen.«
»Wie viel könnten Sie bezahlen?«, fragte Margaret. »Der Frau, an die ich denke, meine ich.«
Er überlegte einen Moment. »Ich könnte vielleicht fünfhundert Schillinge herausschlagen. Sind Sie denn sicher, dass das klappt?«
Etwas mehr als sechzig Dollar, rechnete Margaret. Für die Frau, an die sie dachte, eine Menge Geld.
»Ich weiß nicht, ob sie mit Ihnen reden wird, aber wenn sie es tut, wird es eine gute Story.«
»Sie machen mich neugierig«, sagte Rafiq. »Wie schnell können Sie es arrangieren?«
»Es wird vielleicht ein paar Tage dauern.«
In ihrer Aufregung begannen sie schneller zu gehen.
»Ich hätte so gern eine Rose«, sagte Margaret unvermittelt. »Eine einzige gestohlene Rose, das kann für die Schule doch kein großer Verlust sein, oder?«
»Kenianische Rosen haben die geradesten Stiele auf der Welt«, bemerkte Rafiq. »Wussten Sie das?«
»Nein.«
»Es kommt von der Nähe zum Äquator und von der Höhe. Gute Wachstumsbedingungen und die direkteste Verbindung zur Sonne.«
Das Geräusch eines aufschnappenden Klappmessers erschreckte Margaret. Rafiq schnitt einen sechzig Zentimeter hohen Stiel ab. Er hatte eine gefüllte zitronengelbe Blüte ausgesucht. Er reichte sie ihr, und sie dankte ihm.
»Das ist ja ein furchterregendes Messer.«
»Ich habe es immer bei mir.«
Als sie vor der Tribune ankamen, wäre Margaret am liebsten nicht aus dem Wagen gestiegen.
Margaret ging in einen Laden in der Kimathi Street und kaufte einen Stadtplan von Nairobi und Umgebung. Sie hatte so einen Plan zu Hause, aber sie wollte nicht erst losfahren müssen, um ihn zu holen. Bei einem kurzen Mittagessen sah sie sich
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