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Das erste Mal und immer wieder

Das erste Mal und immer wieder

Titel: Das erste Mal und immer wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Moos
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Ordnung oder zur Ruhe mahnte.
    Obwohl sie eine Wohnung und einen Freund hatte, blieb sie die meiste Zeit in ihrem Zimmer. Das war ohne Gang, beide Fenster gingen direkt zur Straße, und wenn sie schlief oder beschäftigt war, zog sie die Vorhänge einfach zu. Neben ihr »stand« Sabrina. Ihr Zimmer war im zweiten Stock. Schwarz gefärbte Haare, pummelig und immer »on stuff«. Entweder war sie schon mittags durch »Jägermeister« und andere Drinks völlig betrunken oder sie warf sich andere Drogen ein. Wenn sie richtig »stoned« war, drehte sie ihre Musikanlage auf, und die Töne von Rammstein flogen allen um die Ohren. Auch war sie ziemlich rassistisch und konnte sich unter Alkohol oft nicht zusammenreißen, wurde ausfallend und bösartig, fast gefährlich.
    Nur Karla, die direkt neben mir »stand«, war anders. Ihre Haare weiß und lang, wallten um ihren Kopf. Stets nur mit Schalen-BH und Slip bekleidet, stand sie immer am Fenster. Ich glaube, sie stand täglich an die 14 bis 16 Stunden dort. Die Straße war ihr Leben. Sie kannte jeden und alles dort. War verwachsen mit ihrer Umgebung, und sie trank Bier und das in Massen. Ein richtiger praller Bierbauch wölbte sich an ihrem Körper nach vorne. Aufgrund ihrer weißen, porzellanartigen Haut und des blauen Lichts in ihrem Zimmer nannten sie viele »die Wasserleiche«.
    Sie gab mir Rat und Tipps, zeigte mir die Freier, die gut waren, warnte mich vor denen, die »irgendwie kopfkrank« waren und erzählte mir genau, wer auf was stand und wer was zahlte. Und auch sonst beriet sich mich in allem. Und sie war immer da. Weckte mich pünktlich, kochte Kaffee und ordnete meine Sachen. Und bombardierte mich den ganzen Tag mit »Puffweisheiten«.
    »Regentage sind Freiertage«, »Handgeld ist am wichtigsten«, »Nichts wird gekauft, bevor die Miete drin ist, das gibt Unglück«, »Blumen in der Vase stehlen dem Haus das Geld« usw. War sie begeistert, nannte sie es »alles Zucker«. Aber war sie böse, und das war sie, wenn die Geschäfte schlecht liefen, dann wurde sie unausstehlich, wütend und grob. Besänftigen ließ sie sich dann nur mit mitgebrachten Zigaretten oder anderem Kostenlosen. Sie war eine echte Straßendirne, wirklich mit Leib und Seele dabei, und sie war es gern.
    Aber so verschieden sie auch sonst alle waren, alle hatten ihre Stammgäste, alle arbeiteten, und alle verdienten ihr Geld. Mal mehr, mal weniger. Das Schwerste war das »Handgeld« – Geld, welches der erste Gast brachte. Hatte man es erst mal, war die »Miete drin«, und man sah den Tatsachen leichter und unbeschwerter ins Auge. Manchmal machte man auch einen guten Preis für den ersten Freier, es lag an dem Glauben, dass es danach richtig »flutschte«.
    Versorgt wurden wir durch die umliegenden Imbisse. Es gab so genannte »Läufer«, die entweder zu Fuß oder auf dem Fahrrad den ganzen Tag und auch nachts die Straße rauf- und runterfuhren und -liefen. Sie hielt man an und gab in Auftrag, was man wollte. Ob Essen, Kondome oder was vom Supermarkt, ob Sachen aus der Reinigung geholt werden mussten oder das Bier aus war.
    Auch die Hunde wurden von ihnen im nahe gelegenen Park gegen Bares Gassi geführt. Einer von ihnen war immer da, und wenn es dunkel und still war auf der Straße, hielten sie für einen kleinen Schwatz am Fenster. Und manchmal ließ man sie auch für kleines Geld »hinein«.
    Und so begann ich mich einzuleben, rief täglich in Spanien an oder schickte lange Faxe nach Hause. Natürlich war nach 14 Tagen nicht an einen 14-tägigen Urlaub zu denken, und es sollten zwei Monate werden, bis ich das erste Mal zurück konnte.
    Meine Schotte war ca. einen Meter breit und zweieinhalb Meter lang. Hinter mir trennte ein dicker Vorhang die Schotte von dem Gang zu meinem Zimmer. Das Zimmer war ohne Heizung, und die Fenster, alle beide undicht und vermodert im Rahmen, gingen direkt auf den großen Hinterhof hinaus.
    Frühmorgens schon wurde ich wach von den Geräuschen. Karin, die Putzfrau, kam immer gegen spätestens sechs Uhr und fegte den Hof. Fegte die Blätter der wohl größten Kastanie, die ich je gesehen hatte, zusammen. Der Stamm war viele Meter im Durchmesser, und die riesige Baumkrone tauchte den ganzen Hof in ihren Schatten und einen betörenden Duft.
    Der Preis war variabel, jedes Mädchen konnte verlangen, was immer sie wollte. Aber Tatsache war, dass ein Mann hier ohne Probleme für 30 DM eine Nummer schieben konnte. Auch hier versammelten sich jetzt alle Nationalitäten, und

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