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Das erste Mal und immer wieder

Das erste Mal und immer wieder

Titel: Das erste Mal und immer wieder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Moos
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strengstes Sperrgebiet. Hörte sie nur ein Knarren auf den Stufen, schrie und keifte sie, was das Zeug hielt. Es war schon furchterregend, und so ging niemals jemand hinauf.
    Manchmal, wenn ich frierend in meiner Schotte saß, stellte ich mir vor, wie sie jetzt gemütlich vor den Fernseher gekuschelt mit heißem Tee in der Hand ihren Abend verbrachte. Einmal stellte ich ganz kleine Kinderhausschuhe auf die Treppe und sah in Gedanken förmlich ihre kleinen Füße darin verschwinden und wie sie durch die obere Wohnung damit tippelte. Ständig hatte sie Diskussionen mit anderen Hausbesitzern oder Pächtern, die ihr diese Häuser »abnehmen« wollten. Aber sie ließ sich niemals einschüchtern. Zur Not trat ihr immer betrunkener, dicker und auch kräftiger Freund mit lautem Gebrüll und ordinärem Geschrei jedem die Tür ein. Sah ich ihn, dachte ich an »Obelix« aus den »Asterix«-Geschichten und grinste mir so manches Mal einen. Angst hatte ich nicht vor ihm. Im Gegenteil, manchmal saßen wir auf dem Hof zusammen, und er baute meine Einlagen aus den Überraschungseiern mit Freude zusammen. Er hatte mich richtig lieb.
    Anfangs kamen viele Männer aus Neugier an mein Fenster. So war es jedes Mal, wenn eine »neue« Frau da war. Grundsätzlich waren es ja auch immer dieselben Männer, die hier immer und immer wieder, manchmal stundenlang, ihre Runden zogen. Einige hatten es sich angewöhnt, nach Sexpraktiken und Preisen zu fragen, um sich dann aufs Höchste erregt hinter der nächsten Ecke einen zu wichsen. Eingetreten sind die niemals. Mit der Zeit kannte man jedoch seine »Pappenheimer«, und sie zogen weiter, eben zu den »neuen« Frauen.
    Die Missgunst unter den Frauen dort war im Großen und Ganzen groß und konnte auch gefährlich werden. Verdiente eine Frau mal mehr, was man an den »Ein- und Ausgängen« sehen konnte, wurden die schlimmsten Verdächtigungen angestellt. Sofort war klar: »Die macht es ohne Gummi.« Sie wurde bespitzelt, man schickte seinen vertrauenswürdigsten Stammfreier zum Gespräch, um alles »auszuloten«.
    Dann folgten Beschwerden bei dem Vermieter. War die Miete nicht zusammengebracht worden, beschuldigte man ebendieses Mädchen des unlauteren Wettbewerbs und führte das als Grund ins Feld, nicht zahlen zu können. Der Vermieter war dann genötigt, zum Vermieter der anderen »Dame« zu wandern und seine Sachen vorzubringen. Je nachdem, wer mehr Einfluss hatte, blieb die »Angeklagte«, und die »Anklägerin« verschwand oder das Mädchen wurde Opfer einer Verschwörung und musste tatsächlich ausziehen. Oft mischte sich dann noch der Lude des Mädchens ein, wenn sie einen hatte.
    Komplizierte Angelegenheit, aber grundsätzlich wurde sie von den Männern geklärt, die Frauen hatten irgendwann nichts mehr zu melden. Bei den neuen, kleinen, schmierigen Luden war jede Frau sowieso nur »eine dumme Fotze«, und genauso sprachen sie darüber und behandelten sie auch.
    Es waren zwar immer Zimmer frei, und jeder wollte seine Fenster voll haben, aber es kamen auch immer neue Frauen, und lange Zeit war niemals eine Schotte, wo auch immer sie war, wirklich frei.
    Zögernd begann ich ans Fenster zu klopfen, meist hatte ich »keine Traute« dazu. Ich saß und las die neuesten Disney-Comics, an die ich mich während der Monate im Krankenhaus so gewöhnt hatte. Oft schreckte ich hoch, wenn es plötzlich bei mir klopfte. Ich bat die Männer immer für 50 DM herein und versuchte dann im Zimmer den Preis hochzutreiben. Natürlich nicht ohne vorher Kekse und Kaffee anzubieten. Manchmal auch ein Glas Wein.
    Ich stimmte die Freier auf die Tatsache ein, dass wir alle Zeit der Welt hätten und er der »Letzte« des Abends wäre. Sie entspannten sich schnell, viele fingen an zu plaudern, zu scherzen, und fast alle erhöhten den Preis von alleine. All diese wurden dann auch meine Stammgäste. Bei einigen ergab es sich so, dass sie zwar »den Service« schätzten, aber zukünftig doch lieber woanders schnell und billig ans Ziel wollten. Obwohl ich Erfahrung mit diesen schnellen Nummern im Stehen hatte, war es nicht das, was ich am besten konnte.
    Mir fehlte der persönliche Kontakt, wenigstens der Vorname des Typen, und war es auch ein falscher. Je nachdem, in welchem Umkreis die Mädchen die Arbeit begonnen hatten, war dies immer am nachhaltigsten. Bei mir war es der Club. Ich war sozusagen eine »ausgebildete Clubfrau«, eine »Unterhaltungsdame«, eine, die »Männer verwöhnte« und davon lebte, sie »an sich

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