Das erste Schwert
Fortpflanzungsgesetze eingehalten werden? Weil sie damit kontrollieren |260| , wer oder was auf dieser Welt geboren werden darf. Und mehr und mehr zeichnet sich ab, dass sie damit scheitern – warum wohl?«
»Weil diese Macht zu groß ist, als dass irgend jemand sie dauerhaft bändigen und kontrollieren könnte«, hauchte Ellah, überwältigt.
Darauf wusste selbst Kara nichts mehr zu sagen.
In dieser Nacht schliefen sie in richtigen Betten. Ellah und Kara hatten es, wenn auch widerwillig, akzeptiert, ein Zimmer
miteinander zu teilen – woran Meister Yegors Angebot, ihnen eine Wanne mit heißem Badewasser bereitzustellen, gewiss entscheidenden
Anteil hatte. Was Skip anbelangte – er war’s zufrieden, beide in sicherem Abstand zu wissen. Karas veilchenblaue Augen, die
so undurchschaubar dreinzublicken vermochten, gingen ihm ohnehin nicht aus dem Sinn.
Erle, Garnald und er zogen sich in einen geräumigen Schlafsaal zurück und trafen dort eine Gruppe von Kaufleuten und deren
Leibwächtern an, die alle von Jaimir nach Bengaw reisten. Die Männer beäugten Garnald misstrauisch und nahmen ausnahmslos
jene Betten in Beschlag, die so weit wie irgend möglich von denen der drei Gefährten entfernt standen. Was diese nur willkommen
hießen, denn zwei der Leibwächter rochen wie verwahrloste Pferde und einer davon winkte zu Skip herüber und erging sich mit
gespitzten Lippen in obszönen Gesten. Seine Gefährten brüllten vor Lachen, bis der älteste der Kaufleute sie anherrschte.
Skip träumte von dem kahlköpfigen Priester, und wie jener sich über ihn beugte, eine dunkle, messerscharf umrissene Gestalt
vor dem mondlichthellen Fenster. Kalter Stahl blitzte in seiner Hand, berührte Skips Wange.
Ich werde dich töten
, flüsterte der Priester.
Irgendwann, ganz gleich, wie lange es noch dauern mag, ich werde dich finden und töten, mein Junge.
|261| Skip erwachte mit einem Ruck. Er öffnete die Augen. Sah das Fenster, silberhelles Mondlicht. Und davor eine Gestalt, die sich
zu ihm herabbeugte, ganz deutlich umrissen.
»Ganz still, Kleiner«, flüsterte der Schemen. »Oder ich bring’ dich um.«
Eine Hand glitt unter Skips Decke und betastete seinen Körper wie ein Stück Bratenfleisch. Plötzlich roch es ganz entsetzlich
nach altem Schweiß und fast zu Tode gehetzten Pferden.
»Was soll das?«, begehrte Skip auf, so laut er konnte.
Die Hand wurde zurückgerissen und presste sich auf Skips Mund. Jetzt war der Gestank überall – auch
in
ihm.
»Ich habs dir gesagt: sei still! Rühr’ dich nicht!«, zischte der Leibwächter und drückte ihm eine scharf geschliffene Klinge
an den Hals. Groß wie ein Mond schwebte das übelriechende Gesicht des Kerls auf ihn herab.
»Wenn du dich nicht wehrst, tu’ ich dir auch nicht weh, Hübscher«, keuchte der Leibwächter. »Und, wer weiß? Vielleicht gefällt’s
dir ja sogar? Also ... wirst du brav sein?«
Skip nickte und die Hand entfernte sich von seinen Lippen. Er holte tief Luft, denn natürlich würde er nicht
brav
sein, sondern schreien so laut es nur ging. Er wusste, dies mochte bedeuten, dass er niedergestochen wurde, aber er dachte
nicht daran, sich von diesem viehischen Kerl betatschen zu lassen. Und vielleicht träumte er ja immer noch, und diese unwirkliche
Begegnung war nur Teil des Alptraums?
»Geh’ weg von ihm!«, sagte eine eisige Stimme hinter dem Kerl.
Garnald.
Der Leibwächter fuhr herum und stellte sich dem Gegner im Dunkeln.
»Ich hab nur ein bisschen mit dem Kleinen gespielt!«, sagte er, und in seiner Stimme schwang eine kaum verhohlene |262| Drohung. »Du musst dir keine Sorgen machen, Väterchen.«
Er hob die Klinge an, so dass sie gut zu sehen war. Ein Dolch – aber von einer Größe und Form, die Skip schaudern machten.
So hatte er sich bislang stets das Handwerkszeug eines Metzgers vorgestellt, aber keine Waffe.
Garnald zuckte mit keiner Wimper. »Jetzt sind deine Spielchen vorbei«, sagte er hart. »Leg’ dich schlafen.«
»Das glaubst aber auch nur du, Väterchen«, fauchte der Leibwächter und ein breites Grinsen entblößte prächtig verrottete Stummelzähne.
»Meine Spielchen fangen gerade erst an.«
Und damit ging er los, Garnald entgegen; unablässig wechselte er das Schlachtermesser von einer Hand in die andere, bereit,
zuzustoßen, mit allen erdenklichen Tricks zu kämpfen. Drei seiner Kumpane stießen die Decken von sich, glitten aus ihren Betten
und gesellten sich an seine
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