Das erste Schwert
Gästen.
Die Gefährten setzten sich, und schon bald kam eine dralle Dienstmagd mit rosigen Wangen herbeigewatschelt und stellte einen
großen Topf vor sie hin, in dem Kartoffeln, Fleisch und Gemüse dampften. Herzhafter Essensgeruch stieg ihnen in die Nase.
Skip bediente sich, schlang seine Portion wie ein Verhungernder in sich hinein und spülte mit dünnem, süßsaurem Bier nach;
besser meinte er niemals zuvor gegessen zu haben. Erst danach ging ihm auf, dass ihre karge Reisekasse wohl kaum für mehrere
derartige Mahlzeiten reichen würde. Eingedenk der weiten Reise, die noch vor ihnen lag, galt es also, achtsam mit ihrem wenigen
Geld umzugehen.
|258| Garnald bemerkte den warnenden Bick, den er Erle über den Tisch hinweg zuwarf, und deutete ihn richtig.
»Sei nur ganz unbesorgt, junger Freund«, beschwichtigte er ihn. »Meister Yegor wird höchstwahrscheinlich kein Geld von euch
fordern. Wenigstens heute seid ihr meine Gäste.«
»Aber warum, Garnald?«, wollte Ellah wissen. »Warum behandeln dich hier alle so freundlich – so anders als –«
»– in Eichenhain?« Garnald gluckste und senkte den Blick. »Sagen wir’s einfach so: Weil sie mir den einen oder anderen Gefallen
schulden. Und weil sie, anders als die Bewohner von Eichenhain, allen Grund haben, zu glauben, dass sie meine Dienste auch
künftig noch benötigen werden.«
»Welche Dienste?« Ellahs Gesicht trug eine Miene kindlicher Wissbegier. Ihre Stimme war zu einem vertraulichen Wispern gedämpft.
Dieses Mal lächelte der Pfuhlgänger nicht mehr.
»Es gibt eine Menge, was ihr dankenswerterweise nicht erfahren musstet vom Dunklen Pfuhl – obgleich ihr drei Tage darin verbracht
habt. Leben und Tod sind nahe beieinander in den Tiefen des Pfuhls. Die Aufgabe ... nein, die
Berufung
der Pfuhlgänger besteht also nicht einfach nur darin, Ayalla zu Willen zu sein. Meinesgleichen obliegt es, sicherzustellen,
dass die Kräfte des Lebens und des Todes im Gleichgewicht verbleiben. Sicherzustellen, dass die Kräfte des Pfuhls nicht entfesselt
werden ... und sich über die Grenzen seines ureigenenen Reiches hinweg ausdehnen.«
»Und wie stellt Ihr das an?«, fragte Kara, und der Samt ihrer ruhigen Stimme verbarg die Herausforderung kaum.
Garnald drehte sich zu ihr um. »Du
bist
eine Außenstehende und somit nicht einmal ansatzweise imstande, die wahre Macht des Pfuhls zu verstehen«, entgegnete er. Ein
kaum merklicher Hauch von Mitleid schwang in seiner dunklen Stimme mit. »Der Pfuhl ist Anfang und, so er will, Ende allen
Lebens.«
|259| Kara starrte ihn weiterhin ganz unbeeindruckt an.
»Nicht nach allem, was ich gesehen habe«, sagte sie zu ihm und ihre Augen glitzerten verächtlich. »Jedenfalls nicht für Euresgleichen,
Pfuhlgänger.«
Er blickte schweigend zu ihr hinüber. Dieses Mal maßte sich Skip nicht an, in seiner Miene lesen zu können. Des Pfuhlgängers
sonnenverbranntes Gesicht war eine Maske aus Stein. »Die Kräfte des Pfuhls im Zaum zu halten, ist eine heilige Aufgabe und
so uralt wie der Pfuhl selbst. Die Priester scheuen sich nicht, vorzugeben, Shal Addims Willen zur Gänze zu verstehen – was
ganz und gar unmöglich ist. Genauso unmöglich ist es für mich, den Willen des Pfuhls zur Gänze zu verstehen. Also tu’ ich,
was von mir verlangt wird, um diese Menschen hier in Sicherheit zu wissen. Um die ganze Welt in Sicherheit zu wissen, falls
nötig, und vorausgesetzt natürlich, meine dürftigen Kräfte erlauben es.«
»Indem Ihr mit Ayalla schlaft?« Ihre vollen Lippen verzogen sich zu einem sarkastischen Lächeln.
»Du magst ein paar Jahre älter sein als diese drei Kinder«, sagte Garnald, »aber was diese Dinge anbelangt, bist du nur ein
kleines Mädchen und viel zu jung, um sie zu verstehen. Aus deinem Geschick im Umgang mit Waffen leitest du das Recht her,
über alles und jeden urteilen zu können. Doch das ist ein Trugschluss.«
Kara blieb gelassen. »Ich kann
töten
, was sich mir in den Weg stellt«, gab sie ihm zu bedenken. »Wenn es sein muss.«
Garnald beugte sich über den Tisch und sah ihr direkt in die Augen. »Dein Waffenmeister hat dir etwas Wichtiges
nicht
beigebracht«, flüsterte er kalt. »Die Macht zu töten und zu verderben wohnt uns allen inne. Wahre Macht jedoch besteht darin,
Leben hervorzubringen – das ist der entscheidende Unterschied! Warum, glaubst du, bestehen die Priester so nachdrücklich darauf,
dass ihre Sittlichkeits- und
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