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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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gespielt hatte? Damit sie zur Abwechslung auch noch
     einige weniger angenehme Bewohner des Pfuhls kennen lernten?
    »In Ordnung«, sagte Garnald, nachdem sie den Schaden begutachtet und ihre Kratzer und Bisse versorgt hatten. »Da wir nun schon
     mal allesamt wach und auf den Füßen sind, können wir unsere Wanderschaft genauso gut fortsetzen. Schwarzkiefernhain liegt
     nicht weiter als einen tüchtigen Vierteltagesmarsch von hier entfernt. Im dortigen Gasthof können wir essen und in Sicherheit
     ausruhen.«
    Und tatsächlich, Garnald hatte nicht zuviel versprochen. Der Pfad schien jetzt unter ihren Fußsohlen dahinzufliegen, es wurde
     hell, der Regen versiegte zu einem Tröpfeln; und als die Sonne am Himmel stand und die letzten Dunstschleier und Nebelfetzen
     verschlang, lag das Haindorf in einer Senke zu ihren Füßen. Im ersten Moment war Skip jener Anblick fast unerträglich. Er
     wollte nicht daran denken, dass er sich und seine Gefährten insgeheim schon für alle Zeiten durch den Pfuhl mit seinen Nebeln
     und verfilzten Dickichten und heimtückischen Schlammtümpeln hatte irren sehen. Und dachte umso intensiver
genau
daran. Er legte den Kopf in den Nacken und sah die hohen Kronen der Kiefern und den klaren, blauen Himmel über sich und wünschte
     sich sehnlichst, fliegen zu können.
    |256| Er tat ihm gut, dieser Gedanke. Schwarzkiefernhain. Noch nie war er so weit gereist. Es war zweifelsfrei ein Haindorf und
     bewohnt vom gleichen Menschenschlag, wie er hier in den Waldlanden überall anzutreffen war – und trotzdem gab es so viele
     Unterschiede, die Skip daran erinnerten, dass er fern von zuhause war. Die weiten, mit Heidekraut bewachsenen Talhänge, der
     lichte Wald, auf dessen Boden nur Moose, Heidelbeeren und Wachholderbüsche wuchsen, der berauschende Duft von Kiefernharz,
     die geduckten, aus langen Baumstämmen gezimmerten und mit Rindenstücken verkleideten Gebäude; die Menschen, deren Haut viel
     dunkler war, weil die Sonne durch das spärlichere Astwerk der Bäume so leicht zu ihnen gelangte – dies alles wirkte auf eine
     nicht fassbare Art und Weise unvertraut.
    Wie alle Walder waren auch die Bewohner von Schwarzkiefernhain Fremden gegenüber argwöhnisch, doch Garnalds Anwesenheit wirkte
     geradezu Wunder. Es gab kein furchtsames Getuschel und keiner wandte sich von ihm ab oder brachte gar seine Kinder in Sicherheit
     – ganz im Gegenteil, die Menschen grüßten ihn mit freundlichem Kopfnicken. Dies unterschied sich so grundlegend vom Verhalten
     der Menschen in Eichenhain, dass Skip nicht mehr umhinkam, sich zu fragen, was es wohl
wirklich
bedeutete, ein Pfuhlgänger zu sein.
    So zogen sie allesamt frohgemut zum Gasthof hin, der, so stand es auf einem großen Schild zu lesen,
Launenhafter Stern
hieß. Ein Stalljunge überschlug sich geradezu in seinem Eifer, ihnen die Tür aufzuhalten. Als Kara ihm Shadows Zügel in die
     Hand drückte, nahm er sie so voller Ehrerbietung entgegen, als habe ihm eine Königin einen Schatz von unglaublichem Wert anvertraut.
    Erle und Ellah wechselten staunende Blicke, und Skip wusste, dass er nicht weniger fassungslos dreinschaute. Aber Garnald
     benahm sich ganz so, als sei er eine solche Behandlung |257| gewohnt. Ohne mit der Wimper zu zucken, ging er voran und führte sie in den großen, dämmrigen, von allerlei Wohlgerüchen erfüllten
     Schankraum des Gasthofs.
    Ein kleingewachsener, bulliger Mann mit traurigen Augen grüßte sie mit einem Seitenblick und willkommen heißender Geste. Er
     trug eine Schürze und eine hohe Kochmütze, seine großen, schwieligen Hände jedoch legten Zeugnis ab davon, dass sie nicht
     nur Küchenarbeit verrichteten. »Lang’ ist’s her, Garnald«, nuschelte er; seine Stimme drückte vielerlei Empfindungen aus –
     die Freude darüber, einem alten Freund gegenüberzustehen, hielt sich allerdings eindeutig in Grenzen.
    Garnald lächelte und tat, als bemerke er es nicht. »Yegor, es tut gut, dich zu sehen. Meine Freunde und ich haben eine Mahlzeit
     nötig, und ein ordentliches Nachtquartier.«
    »Wir wollen hier keinen Ärger«, murmelte der Wirt und bedachte Kara mit einem nervösen Blick. Sie trug ihren Reisemantel offen
     und über die Schultern zurückgeworfen, und man hätte schon blind sein müssen, wäre einem die beeindruckende Anzahl von Messern
     in dem Waffengurt nicht aufgefallen.
    Doch beließ es Meister Yegor bei diesen Worten; er führte sie zu einem großen Ecktisch fernab von den wenigen frühen

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