Das erste Schwert
Kelch behutsam absetzte. »Ihr habt einen ausgezeichneten Geschmack, was Weine anbelangt. Ganz zu schweigen
von Eurem exquisiten Küchenmeister.«
»Leute wie Zug ad Dur sind rar«, pflichtete der Tanad bei. »Doch hier, in Tandar, sind Leute wie er dennoch nicht immer willkommen.
Er ist von einer Abstammung, welche Eure Kirche nicht gern gesehen hätte. Seine Mutter war eine Cha’idi.«
Des Herzogs Augenbrauen ruckten hoch. »Eine Frau des Wüstenvolkes?«, entfuhr es ihm verdutzt. »Was für eine Abstammung! Bei
uns in Tallan Dar wäre er gleich nach seiner Geburt getötet worden!«
»Tragisch.« Eli Faruh nickte. »Allein der Gedanke, dass wir, hätte er in Tallan Dar das Licht der Welt erblickt, niemals in
den Genuss dieses Mahles gekommen wären! Nur zwischen uns, Hochgebieter Daemur – meint Ihr nicht, dass Eure Gesetze ein wenig
zu hart sind?«
Der Herzog betrachtete ihn einen Moment lang aufmerksam. »Es wird einer enormen Anstrengung bedürfen, sie zu ändern«, sagte
er schließlich.
Der Tanad respektierte die Stille nach dieser Aussage höflich genug, bevor er sich hinter vorgehaltener Hand räusperte. »Ich
bin natürlich kein Fachmann«, äußerte er sodann und senkte den Blick in perfekter Bescheidenheit. »Aber gehe ich nicht recht
in der Annahme, dass allein der richtige König bereits genügt, jene Gesetze zu ändern?« Damit hob er das Gesicht und blickte
den Herzog geradeheraus an. Und ergriff |278| seinen Kelch und stürzte den teuren Rotwein in einem Zug hinab.
Der Herzog zauderte, dann nahm auch er das Glas auf und leerte es. Zu Eli Faruhs Verblüffung schloss sich auch die Hochdame
Celana dem stillschweigenden Trinkspruch an; wie Quellwasser, so ruhig und selbstverständlich trank sie ihren Wein.
Nun begann sie ihn wirklich zu interessieren!
Schweigend sahen sie zu, wie Diener die Tafel abräumten und neuerlich deckten. Nun folgte der vegetarische Gang.
»Vergebt mir, wenn ich frage, Tanad«, sagte Ellitand unerwartet. »Doch warum gehen Euch die Angelegenheiten unseres Reiches
so sehr zu Herzen?«
Eli Faruh lächelte. »Lasst es mich so ausdrücken, Seengebieter, dass mich ein persönliches Interesse an Euren Gesetzen umtreibt.
Insbesondere der Handelsgesetze. Sie bürden souveränen Königreichen und Angehörigen weniger Völker gewisse Benachteiligungen
auf ... Ich glaube an Gleichheit, Hochgebieter Daemur. Einem jeden sollte die gleiche Chance auf Profit gegeben sein.«
»Ein Grundsatz, der nicht hoch genug einzuschätzen ist!«, stimmte der Herzog zu. »Und natürlich ist es Tradition unter den
Königen von Tallan Dar, Loyalität über allem anderen zu ehren. Es will mir scheinen, dass einer wie Ihr vom rechtmäßigen König
über alle Maßen viel erwarten kann.«
Sie wechselten einen weiteren Blick. Dann lenkten sie ihre Aufmerksamkeit wieder den Wundern der olivianischen Küche zu. Eli
Faruh genoss eine Portion knuspriger, mit gedünsteten Clementinen-Herzen gefüllter
Orgo-
Schoten. Auch die Hochdame Celana brach schließlich ihr Fasten und aß einen Löffel mit in Honig geschwenkten
Shenkaw-Nüssen
, während ihr Vater wenigstens ein Dutzend junger Tuba-Blumen mit einer ordentlichen Portion Gagar-Wurzeln verspeiste.
|279| Der Tanad fand Gefallen an seinen neuen Bundesgenossen. Tüchtige Esser waren eindeutig ganz nach seinem Geschmack.
Der Rotwein wurde durch prickelnden heriwianischen Apfelwein ersetzt, die Gemüse wichen einer bunten Pilzmischung. Und die
olivianischen Damen am anderen Ende der Tafel wirkten zusehends nervöser – es war ihnen unzweifelhaft ein Rätsel, was hier
vorging und weshalb ihre Dienste nicht benötigt wurden.
Die Hochdame Celana andererseits sah beunruhigend wachsam drein. Ihre stille Präsenz zermürbte ihn – er war es gewohnt, in
jeder Konversation die Oberhand zu haben. War sie vielleicht stumm? Aber nein! Anlässlich ihrer ersten Begegnung im Konzilssaal
vor vier Tagen hatte sie doch eine launige Äußerung fallenlassen.
Es galt noch etwas zu bereden, und er wartete darauf, dass der Herzog die Sprache darauf brachte. Doch Ellitand schmauste
weltvergessen an einer zweiten Portion blasser onorianischer Pilze. War der Herzog nicht hinreichend geködert mit der Aussicht
darauf, den Thron für sich gewinnen zu können? Oder war er nur klüger, als er ihm zugute hielt? Er beschloss, die Probe auf’s
Exempel zu machen.
»Bei uns in Shayil Yara«, sagte er, »wird den Zahlen eine große
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