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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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über die Waffenkammer. Wollte ich |302| Eure Arbeit tun, so hätte ich vor dreißig Jahren schon einen Versuch unternehmen können, sie mir unter den Nagel zu reißen.«
    Oden Lan schüttelte den Kopf. »Es wär’ Euch nicht gelungen, alter Freund«, sagte er.
    »Ich weiß. Deshalb ließ ich’s damals auch bleiben. Es ist alles gut so, wie es ist. Und ich bin glücklich und zufrieden dort,
     wo mein Platz ist – seid also bedankt.«
    Oden Lan schmunzelte. »Welche Wahl hatte ich denn?«, beharrte er. »Zuerst kamen die Bewahrer. Sie bezahlten den Preis, und
     ich entsandte um ihretwillen einen Assassinen – und schon am nächsten Morgen traten die Priester vor mich hin, mit nahezu
     doppelt so viel Gold. Ihr Angebot auszuschlagen, hätte zu jenem frühen Zeitpunkt bereits bedeutet, Partei zu ergreifen.«
    Abib reckte sich. »So wird es verständlicher«, brummte er. »Sie wussten nicht um den anderen Diamant. Sie glaubten, ihrer
     sei der einzige. Und Euch waren die Hände gebunden; Ihr durftet es ihnen nicht verraten.«
    »Der Kodex«, sagte Oden Lan.
    »Der Kodex. Ich weiß.« Eine seltsame Dunkelheit schien von Abibs Augen Besitz zu ergreifen; er presste die zur Faust geballten
     Hände dagegen. »Aber im Gegenzug für ihr Geld musstet Ihr ihnen etwas bieten.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
    »Sie forderten den Besten. Also gab ich ihnen den Besten.«
    »Woraus sich ergibt, dass der Namenlose für die Priester tätig ist. Und Ihr haltet ihn für unschlagbar. Gleich, wie Ihr das
     nennt, Aghat – ich nenne es
Partei ergreifen

    »Beide sind sie Diamanten, Abib! Namenlos zu sein, heißt nicht, besser zu sein. Der eine wie der andere kann gewinnen.«
    Der Waffenmeister wandte Oden Lan das Gesicht zu; |303| Zweifel drückte es nun aus, keine Schalkhaftigkeit mehr. Der breite Mund verzog sich zu einem wissenden Grinsen, und tausend
     Falten knitterten die Haut.
    »So also meint Ihr Eure Finger stets im Spiel behalten zu können, gleich, wie das Spiel sich entwickelt, Aghat. Ich muss schon
     sagen, Ihr habt Euch ernsthaft mit dem Thema Politik auseinandergesetzt.«
    Oden Lan lächelte, und abermals schweifte sein Blick durch das Fenster und dem mittlerweile fernen Kriegertrupp hinterdrein
     – in Doppelreihen folgten sie den Straßenwindungen in die dunstigen Weiten des tiefergelegenen Landes. Seine Fingerspitzen
     schlugen verräterische Trommelwirbel auf das Pult.
    »Ihr glaubt, dieser Junge, hinter dem sie her sind, könnte wichtig sein?«, fragte er sanft.
    Der Blick des Majat-Meisters kehrte in den inneren Hof der Feste zurück, dorthin, wo die einsame Gestalt soeben damit fertig
     wurde, die Säbelklinge zu polieren – und nun die restliche Ausrüstung auf dem Boden ausbreitete.
    »Möglicherweise ist er es, Abib.«
    »Wichtig genug, um zwei Diamanten zu gefährden?«
    Zum ersten Mal blickte Oden Lan ihm nun direkt in die Augen. »Ich wünschte, darauf könnte ich Euch eine Antwort geben.«
    »In alter Zeit war die Gilde der Majat auch dafür bekannt, dass sie bei gegebenem Anlass ihre Assassinen zurückbeordert und
     freistellt von ihrem Auftrag. Und, natürlich, den erhaltenen Lohn zurückgibt.«
    »Als man es das letzte Mal damit versuchte, entzündete sich genau daran ein hundert Jahre andauernder Krieg.«
    Beide verfielen sie nun, hingegeben an ferne Erinnerungen, in Schweigen.
    »Die guten alten Zeiten«, murmelte Abib versonnen. »Vor dem
Buch der Gebote
. Vor den Geburtenkontrollen. Vor |304| unserem geliebten Allheiligen Vater Haghos   – Shal Addim möge ihn segnen.«
    Oden Lan blickte sehr nachdenklich drein. »Ich bin mir nicht sicher, was geschehen wäre, hätten sie ihren
Wissenskünstlern
freie Hand gelassen. Es waren nicht wenige gefährliche Substanzen im Umlauf. Einige davon wären imstande gewesen, die Welt
     wahrhaftig zu
verändern
. Die großen Städte   … Denkt nur an die Waldlande.«
    »Wie man hört, gelang es ihnen, das Problem in den Waldlanden räumlich zu begrenzen«, schnaubte Abib.
    »Ja und nein. Erst kürzlich ordnete der gütige Allheilige Vater an, in dem betreffenden Landstrich jemanden gefangenzusetzen
     – und es endete in einer Katastrophe. Bedenkt, dass es Dörfer gibt, rings um jenen Ort. Menschen siedeln in unmittelbarer
     Nähe – glaubt ihr wirklich, dass sie gegen die Auswirkungen des, wie nanntet Ihr’s?, räumlich
begrenzten Problems
für alle Zeiten gewappnet sind?«
    »Stammt nicht der Junge, nach dem unsere Diamanten ausgesandt wurden,

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