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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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Hengst mit schwarzer Mähne und ebenfalls dunklem
     Schweif vorneweg galoppierte. Einem Hengst namens Xar –
Lichtstrahl
.
    |344| So gesehen, konnte er sich nicht einmal damit trösten, dass Ellah direkt hinter ihm dahinzuckelte. Ihr kastanienbrauner Wallach
     hörte auf den Namen Eera – also
Haselnuss –
und war nicht ganz so lammfromm wie Skips Pferd; doch bereitete
ihr
das Reiten Schwierigkeiten. Kategorisch und zur Belustigung aller weigerte sie sich noch immer, anders als im Damensitz im
     Sattel Platz zu nehmen. Wie ein Mann oder die Cha’ori zu reiten, bedeutete, mit gespreizten Beinen auf dem Pferderücken sitzen
     zu müssen, und dadurch hätte sich ihr Rock sündhaft weit über die Knie hochgeschoben.
    Es war sehr unbequem, sich Werst um Werst so auf einem Pferderücken zu halten, und Skip wusste, dass Ellah Schmerzen litt,
     aber sie war die dickköpfigste Person, die er jemals kennengelernt hatte. Drei Tage dauerte die Reise nun schon, und immer
     noch ritt sie im Damensitz. Abends sah er sie mit qualvoll verzogenem Gesicht aus dem Sattel rutschen und wie ein ururaltes
     Wesen im Lager umherhinken; von der Hilfe, die Skip ihr mehrfach angeboten hatte, wollte sie jedoch genauso wenig wissen wie
     von seinem Mitleid.
    Kein anderer gab sich mit ihr ab. Erle lebte in einer gänzlich anderen Welt; er war überwältigt von der Aufmerksamkeit, die
     ihm von den Cha’ori-Mädchen entgegengebracht wurde.
    Am Ende des vierten Tages, als Skip und Ellah still vor einem kleinen Lagerfeuer saßen – viel zu müde und erschöpft, um an
     dem allabendlichen Singen und Tanzen teilzuhaben   –, trat ganz unerwartet Dagmara vor ihnen aus den Schatten heraus. Sie führte Erle bei der Hand.
    »Da seid ihr!«, sagte sie und tat ganz überrascht, sie hier zu finden. Doch die berechnende Gelassenheit in den Tiefen ihrer
     Bernsteinaugen verriet Skip, dass dieses
zufällige
Treffen sehr sorgfältig geplant worden war.
    »Ellah?«, murmelte Erle nach einem auffordernden Seitenblick |345| Dagmaras unbeholfen. »Da vorne wird gesungen und getanzt! Willst du nicht auch dabei sein?«
    Lächelnd stellte Ellah ihre leere Schüssel beiseite, streckte ihm beide Hände entgegen und ließ sich hochziehen. Nur Skip
     schien ihr leises Stöhnen gehört zu haben. Ohne einen einzigen Blick zurück gingen die beiden in die Nacht davon.
    Skip lächelte in sich hinein; was mochte bloß aus Ellahs Verbitterung und Zorn auf Erle geworden sein? Den ganzen Abend hatte
     sie sich darüber beklagt, dass er sie schon tagelang ignorierte – und nun sollte sie sich einmal sehen können: verraucht war
     all ihr selbstgerechter Ärger, ohne ein Wort tänzelte sie glückselig von dannen. Aber Skip wusste, genau so hatte es Dagmara
     geplant, und mehr als alles andere interessierte ihn das Warum.
    »Komm mit mir, junger Walder«, sagte Dagmara nur. Es war kein Befehl, doch machte ihr Tonfall deutlich:
Denk’ nicht mal daran, nicht zu gehorchen.
    Schweigend gingen sie zu einem kleinen Zelt, das ein wenig abseits stand, jedoch Teil des schützenden Kreises war. Längst
     wusste Skip, dass die Cha’ori für Dagmara und ihre Tochter stets ein abgesondert stehendes Zelt aufbauten. Kein einziges Mal
     hatten jene beiden mit anderen des Stammes unter einem Dach schlafen müssen. Ansehen und Einfluss dieser Frau mussten unvergleichlich
     sein, wiewohl Skip sie noch nie einen direkten Befehl hatte erteilen sehen. Selbst Khamal, dessen nach links und rechts gebellte
     Kommandos stets ehrfurchtsvoll in die Tat umgesetzt wurden, schien ihr in Respekt zugetan zu sein und hielt jedes ihrer Worte
     in Ehren. In den vergangenen Tagen hatte Skip oft den Versuch unternommen, mehr über Dagmara zu erfahren, doch allein die
     Erwähnung ihres Namens versiegelte alle Lippen. Warum bloß? Welches Geheimnis umgab sie? Er starb fast vor Neugier und hoffte,
     dass nun die Gelegenheit gekommen war, zumindest einen Zipfel des Mysteriums zu lüften.
    |346| Dagmara hob eine lederne Klappe an der Außenhülle ihres Zeltes an und bedeutete Skip, einzutreten. Der warme Schein einer
     Laterne und schwacher Weihrauchduft hießen ihn willkommen. Das Innere des Zeltes war klein und behaglich und, wie es ihm schien,
     übertrieben luxuriös eingerichtet für eine Behausung, die tags darauf bereits wieder abgebaut wurde. Ein seidenartiger, reichverzierter
     Teppich bedeckte den Grasboden der Or’hallas. Auf einem zierlichen Tisch in seiner Mitte standen zwei Tassen und eine

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