Das erste Schwert
Gewürzsäckchen feilbot, die so intensiv dufteten, dass
es einem den Verstand zerwirbelte.
Fünf, sechs Schritte voraus machte Erle am Stand eines Waffenhändlers halt und bestaunte das eindrucksvolle Angebot. Klingen
aus aller Herren Länder lagen einträchtig nebeneinander auf prächtigem Samt arrangiert. Skip hastete weiter und gesellte sich
zu seinem Bruder.
»Unglaublich, was?«, flüsterte Erle und konnte den Blick nicht von einem prachtvollen Schwert mit dazu passendem Dolch lassen,
die beide im Herzen des Ganzen ausgestellt waren. Es sah wirklich wie aus
echtem
algarianischen Stahl |436| geschmiedet aus, und Klinge wie Beschaffenheit erinnerten in ihrer Schönheit und Eleganz nahezu an Skips Waffe.
Skip merkte kaum, wie verzückt er lächelte. Erle und er, sie hatten immer davon geträumt, eines Tages mit algarianischem Stahl
arbeiten zu können, doch hatte die kleine Schmiede ihres Vaters nie einen solchen Schatz gesehen.
Erle strich behutsam über die lange, beidseits geschliffene Klinge des Dolchs, den reich mit Einlegearbeiten aus echtem Gold
verzierten Griff. Mehr brauchte es nicht – und ein bohnenstangengroßer Mann kam herbeigeschossen, packte mit der Rechten Erles
Arm und verpasste ihm mit der Linken einen Schubs, der ihn von dem Stand wegtaumeln ließ.
»Nur anschauen, du Stück Echsenscheiße!«, grollte der Händler. Trotz seiner Größe war er nicht dürr, sondern massig gebaut;
lange Arme wirbelten wie Dreschflegel, die fliehende Stirn verlieh ihm nicht wenig Ähnlichkeit mit einem Gorg’tal.
Nur die Hörner fehlen
, dachte Skip, während er noch empört starrte.
Erle gelang es, das Gleichgewicht zu wahren, und Skip trat ihm zur Seite.
»Pass auf, wen du angreifst!«, warnte Erle. Er straffte die Schultern und stand nun schlank und muskulös und stolz nahezu
Auge in Auge mit dem Mann. »Ich hab mir nur den Dolch angesehen!«
»Mein Herr und Meister mag’s nicht, wenn Schmutzfinken wie du seine feinen Waffen begrabschen«, spie ihm der Gehilfe des Händlers
entgegen und lächelte überheblich. »Zeig’ mir erst mal dein Geld.«
»Ansehen wollte ich mir das Ding, von
Kaufen
war noch nicht die Rede!« Erles Augen starrten ausdruckslos und dadurch umso bedrohlicher. »Und was deinen Meister betrifft
– der täte besser daran, dir ein paar Manieren beizubringen, Affenmensch.«
Und noch während Skip darüber nachsann, ob es bereits |437| an der Zeit sein mochte, die Klinge blankzuziehen, zischte eine auf Erles Gesicht gezielte Faust, groß wie ein Schmiedehammer,
an seinem Ohr vorbei. Der Affenmann war eindeutig jemand, der nicht viele Worte verlor.
Erle wich mühelos genug aus und riss seine Axt aus ihrer Umhüllung. Skips Hand zuckte zur Schulter und zum Schwertgriff hin.
»Oh, ihr wollt kämpfen, ihr kleinen Hinterwäldler-Jüngelchen?«, sagte der Mann sarkastisch, griff hinter sich und beförderte
eine gigantische, stachelbewehrte Keule zutage.
Er
muss
Gorg’tal-Blut in den Adern haben!,
dachte Skip, seltsam losgelöst. Plötzlich war er sich überhaupt nicht mehr sicher, ob Erle und er es mit diesem Mann aufnehmen
konnten. Zu spät erinnerte er sich, was Kara sie gelehrt hatte.
Ein Kämpfer kämpft nur, wenn es nötig ist. Fangt niemals einen Kampf an, es sei denn, er lässt sich nicht vermeiden. –
Hätte sich dieser Kampf vermeiden lassen?
Er umfasste den Schwertgriff; er begann, die Klinge aus der Scheide zu ziehen. Und eine Hand hinderte ihn daran.
»Hab ich euch nicht gesagt, ihr sollt allem Ärger aus dem Weg gehen?«, zischte Kara ihm ins Ohr. »Da! Halt’ mal.« Sie drückte
ihm Shadows Zügel in die Hände, drängelte sich an ihm vorbei und stellte sich zwischen Erle und den Affenmann.
»Wir wollen keinen Ärger, Missgeburt«, sagte sie. Es klang weit beleidigender als alles, was Erle geäußert hatte, doch verblüffenderweise
tat der Hüne einen Schritt zurück und musterte Kara mit jäh entflammter Wachsamkeit.
Ungerührt erwiderte sie sein Starren – selbst dann noch, als ihre Linke hochzuckte, einen Krummsäbel mit kurzer Klinge aus
dem sorgfältigen Arrangement des Waffenstandes herausriss und ihn in der Hand balancierte. Dann – ein Ruck, und im nächsten
Moment war die Klinge in ein von Finger zu Finger wechselndes, dunkles Flirren verwandelt, in |438| einen bizarren Fächer, der sich zischend und fauchend drehte und drehte und sich so aller Blicke entzog. Nur um abermals einen
Moment darauf mit einem letzten
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