Das erste Schwert
Gesicht brannte. Er
wusste nicht, was tun – und legte ihr den Arm um die Taille. Und mochte die eigene Kühnheit kaum fassen.
»Los! Beweg’ dich!«, herrschte sie ihn an.
An Bänken, Tischen, Stühlen vorbei schleppte er sie, und die Treppen hinauf, bis in Erles und sein Nachtquartier. Sobald die
Tür hinter ihnen ins Schloss fiel, löste sich Kara von ihm und legte den Riegel vor. Dann erst wandte sie sich um.
Ein merkwürdiges Licht glomm in ihren Augen. »Also gut«, sagte sie. »Entweder unsere Wege trennen sich nun, oder ihr erzählt
mir, was hier vor sich geht. Und zwar
alles.
«
Skip sah, wie Erle nach Ellahs Hand tastete; und, kaum |461| dass er sie gefunden hatte, zuerst Ellahs und dann seine Augen suchte.
»Erzähl’s ihr, Skip«, forderte Erle ihn auf.
Skip erwiderte seinen Blick lange. Sie hatten Kara die Wahrheit so lange vorenthalten, dass es ihm nun merkwürdig vorkam,
ihr einfach alles zu sagen.
»Nun mach’ schon!«, sagte Ellah barsch. »Ich denke, wenn wir Kara bitten wollen, weiterhin mit uns zu reisen, dann schulden
wir ihr eine umfassende Erklärung.«
Langsam wie unter einem Bannfluch griff Skip in die Innentasche seines Reisemantels und zog das Päckchen des Edelmannes heraus,
band die Verschnürung auf und entfaltete die lederne Umhüllung. Der Sternendolch kam zum Vorschein. Ein eisiger Funke tanzte
über das filigrane Goldmuster und den im Zentrum, im Schnittpunkt des Quadrates, eingelassenen Diamanten. Skip erahnte, dass
Kara etwas sagen wollte und hielt sie mit einer sachten Handbewegung davon ab. Er zog sein Schwert aus der Scheide, wickelte
die Karte der Bewahrer vom Griff und breitete sie neben dem Dolch auf dem Bett aus.
Die ganze Zeit hatte er Kara nicht aus den Augen gelassen, und so entging ihm nicht, was in ihren Pupillen vor sich ging;
als sie der Klinge angesichtig wurden, glomm etwas darin auf – und kaum dass sie den Sternendolch sahen, weiteten sie sich
gar. Kara wusste genau, was das war. Aber sie sagte kein Wort. Stumm lauschte sie dem, was Skip ihr, hin und wieder unterstützt
von Ellah, zu sagen hatte. Auch Erle schwieg.
Nur Skip ging im Raum umher und redete und redete. Redete, bis die ganze Geschichte erzählt war und die Luft rings um ihn
her nahezu verbraucht schien.
»Das ist wirklich eine Mordsgeschichte, die ihr Kinder mir da auftischt!«, kommentierte Kara nach einer langen Bedenkzeit.
|462| »Wir sind keine Kinder mehr!«, wies Ellah sie spitz zurecht. »Wenn wir schon allesamt bis zum Hals in diese schlimme Sache
verstrickt sind, solltest du uns wenigstens die Höflichkeit erweisen, uns beim Namen zu nennen!«
Kara betrachtete sie nachdenklich. »Ich denke, dass es Dringlicheres zu bereden gibt, wenn wir wirklich
allesamt
in diese Sache verwickelt sind«, widersprach sie. »Zum Beispiel, wie wir’s anstellen wollen, uns an dem Majat-Assassinen vorbeizuschlängeln.«
»Also glaubst du auch, dass er ein Majat ist?«, vergewisserte sich Skip niedergeschlagen und setzte sich, plötzlich von einer
großen Schwäche befallen, auf die Bettkante.
Kara nickte. »Ihr habt doch auch gesehen, wie er sich bewegt, oder etwa nicht?« Es war nicht wirklich eine Frage gewesen,
und so wartete sie eine Antwort gar nicht erst ab. »Was ich allerdings bis zu eurer kleinen ...
Beichte
nicht wusste, ist, dass er ein Diamant-Majat ist. Und
das
sind wirklich schlechte Neuigkeiten.«
Keiner von ihnen vermochte etwas zu äußern.
»Eins steht fest«, fuhr Kara fort. »Sein Auftrag lautet nicht, euch zu töten. Andernfalls wär’ schon längst keiner von euch
mehr am Leben.«
Sie überlegte; aufgewühlt sah sie aus, beinahe verwirrt. Sie so zu erleben, war beängstigend. Letztlich gab es daraus nur
eine Schlussfolgerung zu ziehen: Wenn nicht einmal Kara einen Ausweg wusste, dann waren sie alle verloren.
»Wir wollen alle, dass du mit uns reist, Kara«, sagte Erle mit brüchiger Stimme. »Wir bitten dich um deinen Beistand. Wenn
es dir irgend möglich ist, lass’ uns in dieser Situation nicht im Stich. Wir wissen, es war nicht richtig, dass wir dies alles
vor dir verborgen hielten, aber du hast es in Eichenhain selbst gesagt: Es sind gefährliche Zeiten, und wer sogleich alles
von sich preisgibt, der ist töricht. Versteh’ uns also. Wir mussten erst sicher sein, dass wir dir vertrauen können.«
|463| Sie blickte ihn lange an. Zu Skips Verblüffung erwiderte sie nichts darauf. Noch immer nicht.
Also sprach Erle
Weitere Kostenlose Bücher