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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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und, nach getaner
     Arbeit, vorgeschlagen, ihr Zeichen in den Griffsockel einzuprägen – ein Eichenblatt. Man brauchte kein Majat zu sein, um angesichts
     dessen die richtige Schlussfolgerung zu ziehen. Eichenblatt. Waldlande. Eichenhain.
    Natürlich bestand die Möglichkeit, dass die Waffe beim Abräumen gefunden und von Meister Gern beiseite gelegt worden war.
     Aber was – wenn nicht?
    Skip seufzte.
Dumm,
dachte er, außer sich.
Schusslig
. Und dann, gleich darauf, voller Selbstmitleid:
Warum muss so etwas immer mir passieren
?
    Er konnte nur hoffen, dass der Majat den Dolch nicht entdeckt und sich genauer angesehen hatte. Er musste in den Gastraum
     hinabschleichen und sich vergewissern; und, falls der Dolch noch an Ort und Stelle lag, ihn an sich nehmen, bevor es zu spät
     war.
     
    Es war eine dunkle Nacht, obgleich draußen der Vollmond am Himmel stand. Nur einige schmale, milchweiße Schimmer sickerten
     durch die Fenster der großen Gaststube und legten sich als Silberstreifen hierhin und dorthin. In diesem |466| unsteten Licht tastete sich Skip zu jenem Tisch voran, an dem er mit seinen Gefährten zu Abend gegessen hatte. Die Tischplatte
     war sauber gewischt worden – und leer.
    Dort drüben, auf jener Bank an der Wand, hatte er gesessen. Auf Zehenspitzen umrundete er den Tisch und tastete mit ausgestreckten
     Fingern über Holz und Sitzkissen. Nichts. Auch die Sitzbank war leer.
    Mit angehaltenem Atem und bemüht, nicht den geringsten Laut zu verursachen, ließ Skip sich auf Hände und Knie nieder. In Gedanken
     hemmungslos fluchend kroch er unter den Tisch. Ertastete Staub, vertrocknete Brotkrumen, Dreck und Steinchen von unzähligen
     Stiefeln, einen verbogenen Löffel und andere Abfälle.
    Etwas Kleines, Pelziges huschte vor seiner suchenden Hand davon. Gleich darauf hörte Skip ein Quieken, weit genug entfernt,
     in den Schatten.
    Ratten! Auch das noch!
    Nur sein Dolch war und blieb verschwunden. Jetzt konnte er nur noch hoffen, dass Meister Gern oder einer seiner Bediensteten
     ihn gefunden hatte.
    Skip krabbelte zurück. Staub kitzelte in seiner Nase; seine Handflächen waren klebrig und schmierig; vor seinen Augen hob
     und senkte sich die Schwärze.
Denk’ nicht mal dran, was du hier und jetzt alles berührt haben magst,
dachte er, richtete sich langsam auf und rieb sich die Hände tüchtig an der Hose ab, um wenigstens das Allerschlimmste so
     schnell wie möglich loszuwerden.
    Und bemerkte eine Gestalt – die es sich auf der Bank am anderen Ende des Tisches bequem gemacht hatte. So reglos und still
     kauerte sie, dass Skip sie im ersten Moment noch für einen Mehlsack hielt, den man dort in der Ecke abgestellt hatte. Wie
     verrückt geworden, pochte ihm das Blut im Kopf; dann, in einem einzigen Anflug entsetzten Begreifens, erkannte er,
was
– nein,
wen
– er da erblickte. Einen in seinen |467| Kapuzenmantel gehüllten Mann, der ihn amüsiert und sehr, sehr aufmerksam beobachtete.
    Kaum, dass der Fremde bemerkt hatte, wie entgeistert Skip ihn anstarrte, kam Leben in ihn und er setzte sich auf.
    »Suchst du das hier?«, fragte er, streckte die Hand aus und legte Skips Dolch in den silbernen Mondlichtstreifen.

Raishan
    Skip regte sich nicht, konnte es nicht. Der Sturm seiner Gedanken trieb tausend Fragen und Gedanken vor sich her und zerwirbelte
     sie. Wie sollte er sich jetzt verhalten? Davonlaufen? Keine Chance. Er hatte gesehen, wie dieser Mann sich bewegte. Vorgeben,
     mit dem Dolch nichts zu tun zu haben? Großartige Idee. Und warum war er dann zu dieser nachtschlafenden Zeit hier herunter
     gekommen? Weil er so gerne im Dunkeln unter Tischen herumkroch und den Boden betastete?
    »Ja«, sagte er langsam und hörte über dem Tumult in seinem Kopf kaum die eigene Stimme.
    Der Mann gluckste und schob den Dolch zu ihm herüber. »Da. Nimm ihn an dich«, sagte er.
    Skip blieb erstarrt. War das ein Trick? Wollte der Mann noch ein wenig mit ihm spielen, bevor er sich auf ihn stürzte und
     ihn tötete? Er wollte nicht sterben. Was, wenn er nach dem Dolch griff? Würde die Hand des Fremden sich zurückziehen? Oder
     stattdessen den Dolch ergreifen und ihm ins Herz stoßen?
    Dummkopf,
raunte eine ungehaltene Stimme in seinem Kopf.
Er hat keine Ahnung, wer du bist! Außerdem – vielleicht ist es nicht einmal jener Mann, den Kara gestern abend überprüft hat.
    |468| Langsam streckte er die Hand aus. Berührte den kalten Stahl der Klinge.
    Der Mann lachte. »Hab keine Angst«, sagte er.

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