Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
Vom Netzwerk:
»Ich beiße nicht.«
    Skip nahm den Dolch an sich und trat vom Tisch zurück.
    Der Fremde gebot ihm Einhalt. »Warte! Ich will dich etwas fragen.«
    Abermals gefror Skip das Blut in den Adern. Er spielte mit dem Gedanken, loszurennen, doch schien das kaum weniger unsinnig
     als zuvor.
    »Warum setzt du dich nicht?«, schlug der Fremde vor.
    Skip zögerte.
    »Na, komm schon. Setz dich.« Die Augen des Mannes funkelten unter der Kapuze, die sein Gesicht beschattete.
    Skip atmete aus und ließ sich auf die Kante der Bank nieder – vorsichtig, als sei sie mit glühenden Kohlen belegt.
    Der Mann strich sich die Kapuze in den Nacken, beugte sich aus den Schatten hervor und zeigte Skip sein Gesicht. Garnald wie
     Meister Oleg hatten ihn trefflich beschrieben: Alles an diesem Mann war unauffällig und nicht im Geringsten bemerkenswert.
     Und doch hatte dieses Gesicht etwas an sich, das einen sofort in den Bann schlug.
    Schlank und sehnig-muskulös, sah er aus wie Mitte dreißig. In seinem Gesicht fanden sich seltsame blasse Linien   – Narben, vermutlich. Seine Züge waren ebenmäßig, seine Haare hellbraun, sodass er genausogut einer von ihnen hätte sein können,
     wären sie nicht so extrem kurz geschoren gewesen. Die leichte Schrägstellung der Augen und die hoch angesetzten Wangenknochen
     deuteten auf Cha’ori-Vorfahren hin. Die Augen des Fremden verblieben, tief in den Höhlen liegend, in den Schatten. Skip vermochte
     ihre Farbe nicht zu erkennen oder auch nur den Ausdruck darin zu erraten.
    »Du kommst aus den Waldlanden«, stellte der Mann fest. |469| Da es keine Frage war, lohnte sich die Mühe eines Widerspruchs nicht. Skip blieb stumm.
    »Erzähl mir ein wenig von dir«, forderte der Mann ihn auf. Auch dies war keine Frage, genaugenommen nicht einmal eine Bitte.
     Dazu klang es viel zu sehr wie ein Befehl.
    Skip gehorchte nicht gleich, sondern überlegte in fiebernder Hast. Blieb er stumm, tat er sich keinen Gefallen. Also nickte
     er bedächtig und suchte Zeit zu gewinnen. »Was wollt Ihr wissen?«
    »Aus welchem Dorf kommst du? Eichenhain?«
    Dieses Mal war es eine Frage, eindeutig. Skip atmete tief und sagte: »Nein, ich komme aus Schwarzkiefernhain.«
    Bemerkte er da ein enttäuschtes Geflacker in den Augen des Mannes? Und noch etwas? Misstrauen?
    »Dein Dolch dort   –« Der Mann nickte zu Skips Hand hin. »Ich hätte schwören können, dass er in der Eichenhain-Schmiede gefertigt wurde.«
    »Das wurde er tatsächlich«, hörte sich Skip sagen. »Es gibt nur diese eine Schmiede in den Wirrholz- und Haindörfern.«
    Der Mann sah ihm direkt ins Gesicht. »Und wie kommt es, dass sich ein Junge wie du einen so schönen Dolch leisten kann?«
    Etwas tief in Skip verbrannte zu Asche und nur sein Äußeres blieb davon unbeschadet. »Der Sohn des Schmieds«, sagte er, »ist
     mein Freund.«
    Plötzlich spannte sich die Haltung des Mannes an.
Bitte,
dachte Skip.
Bitte, gütiger Shal Addim, mach, dass er’s glaubt.
    Es sah nicht danach aus.
Er fällt nicht auf die Lüge herein.
    Unerträglich lange sagte keiner von ihnen etwas. Skip meinte, über einem Abgrund zu balancieren – und bezog, da er immer noch
     lebte, mit einem Mal neuen Mut daraus. »Wie könnt Ihr wissen, wo die Klinge geschmiedet wurde?«, fragte er. »Seid Ihr auch
     Schmied?«
    Der Mann entspannte sich ein wenig. »Nein«, sagte er. |470| »Aber ich kenne mich ein bisschen mit Waffen aus.« Er ließ seine Worte einwirken, bevor er weitersprach: »Was hast du so fern
     deiner Heimat verloren, Junge?«
    Dieses Mal kam die Eingebung so heftig wie ein jäher Schmerz. »Mein Vater sandte mich zu den Seengebieten. Guten Handel zu
     treiben, soll ich dort lernen.«
    »Und wer ist dein Vater?«
    »Meister Yegor, der Wirt.« Dies war eine angemessen sichere Lüge. Skip war sicher, dass dieser Mann auf seiner Verfolgungsjagd
     nach ihnen den beträchtlichen Umweg über Schwarzkiefernhain nicht in Kauf genommen hatte, doch falls er sich in jener Gegend
     zufällig auskannte, würde er wissen, dass es dort tatsächlich einen Wirt dieses Namens gab.
    »Und wer sind deine Gefährten?«, wurde die Befragung fortgesetzt.
    »Mein Bruder. Und sein   ... unser Freund.« Es gab keinen Grund, mehr als unbedingt nötig zu lügen.
    »Und was hat es mit dieser Olivianerin auf sich?«
    Skip meinte das Blut in sich wirbeln und brausen zu hören.
Denk nach, konzentrier dich!
Kalter Schweiß sammelte sich in seinen Achselhöhlen. Er wusste nicht, was er antworten

Weitere Kostenlose Bücher