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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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Schwert gerade aufgerichtet vor dem Gesicht zu halten, kostete ihn übermenschliche
     Anstrengung. Er hatte nicht mehr die Kraft, die Strömung des Wassers zu bekämpfen.
    Skip ergab sich ihr.
    Und die Strömung durchbrauste ihn, ein überwältigender Sturzsee reinster Energie brach sich Bahn durch seinen Körper und mündete
     in dem Schwert. Eisern schloss sich seine Rechte um den Griff. Und dieser Griff füllte seine Hand |503| selbst durch die lederne Umwicklung mit jeder auch noch so kleinen Wölbung. War plötzlich ein Teil von ihm.
    Totenstill wurde die Welt. Nichts existierte mehr, nur die Klinge, die durch seinen Körper brausende Macht des Flusses – und
     deren Manifestation in einem Aufblitzen dunklen Stahls. Er war eins mit dem Fließen des Wassers, eins mit der Luft, die er
     atmete. Eins mit dem Schwert. Er trat Karas Klinge entgegen. In einer schlangengleich zuckenden Attacke sauste sie von rechts
     heran. Stahl schrillte über Stahl. Funken gleißten. Nun war auch Kara Teil der Totenstille. Kara, er, ihrer beider Waffen,
     vereint in einem tödlichen Schwerterreigen.
    Sein Körper schmerzte nicht länger. Vergessen war alle Erschöpfung. Er trug die Macht des Flusses in sich; er kanalisierte
     sie. Er war unbesiegbar. Wie Musik klang ihm das stählerne Klirren in den Ohren. Er tanzte danach. Parierte. Griff an. Parierte.
     Parierte. Fintete. Griff an. Drang auf Kara ein. Parierte. Parierte. Parierte.
    Es war berauschend. Er wehrte ihren Angriff ab, Schlag um Schlag, parierte, fintete und griff seinerseits an, und er war so
     gut wie sie, er war ihr ebenbürtig. Unbesiegbar. Für eine zeitlose Ewigkeit vergaß er alles andere.
    Und dann war es vorbei. Kara trat zurück und senkte ihre Klinge. Und starrte ihn an, als sehe sie ihn zum ersten Mal. »Wie
     hast du das gemacht?«, flüsterte sie ungläubig.
    Auch er senkte nun seine Waffe und schenkte jener unglaublichen Energie in sich die Freiheit, und die Strömung des Flusses
     verlor sich und löste sich auf in Sonnenlicht und Wind und endloses, allgegenwärtiges Wasserrauschen.
    Er fühlte sich leer und todmüde. Zittrig.
    »Ich weiß es nicht«, murmelte er.
     
    Sie gingen nebeneinander her, Richtung achtern, zwängten sich auf halbem Wege an einem gewaltigen Wall aus Kisten aller Größen
     vorbei zur Reling, überkletterten sie, setzten |504| sich und ließen die Beine über dem schäumenden Wasser baumeln. Dies war seit Tagen schon ihr Rückzugsort, ihr Versteck; hier
     hatte Kara ihn gelehrt, die Wasser des Elligar nicht zu fürchten, hier hatten sie miteinander geredet und geredet. Vergessen
     mochte sein, was sie ihm in der Nacht der Ulaijim gesagt hatte – dass sie ihm nie wieder nahe sein wolle. Wenigstens auf diesem
     Kahn schien sie willens, Zeit mit ihm zu verbringen, ihn zu lehren, den Wetzstein mit ihm zu teilen oder einfach nur, wie
     jetzt, mit ihm am Rand des Decks zu sitzen und zuzusehen, wie die Flussufer gemächlich vorbeizogen.
    Sie war es gewesen, die ihm vorgeschlagen hatte, sich so an den Decksrand zu setzen, mit über Bord baumelnden Beinen.
So überwindest du deine Angst am schnellsten,
hatte sie gesagt, und ihre Augen waren dabei so strahlend hell und voller Lachen. Und ihre Anwesenheit machte es erträglich.
    Seine Ängste beherrschen zu lernen, ist Teil der Ausbildung eines Kämpfers,
hatte sie gesagt. Nach dem, was vorhin geschehen war, sah er sich bereit, dies zu glauben. Er wünschte, er wüsste, wie er
     es angestellt hatte.
    »Was ist da draußen passiert?«, wollte Kara von ihm wissen und spähte zu den Felsenklippen am östlichen Ufer hin. Doch Skip
     war ein guter Beobachter; er hatte ihren blitzartigen Seitenblick zu ihm herüber sehr wohl gesehen.
    Er lehnte sich gegen das Gitter der Reling zurück. Die letzten Strahlen der Abendsonne zauberten einen Reigen aus Orange-
     und Rottönen auf die Klippen. Eine frische Brise erhob sich und strich über sein gerötetes Gesicht. Seltsam fern und schwach
     hörte er die Rudermänner auf dem unteren Deck ihre langsamen, rythmischen Lieder singen.
    Er war leer. Jedoch fühlte sich dieses Leersein so gut an, dass er sich am liebsten unablässig so wie im Verlauf ihres Übungskampfes
     verausgaben würde. Wenn er nur wüsste, was genau er da gemacht hatte – und wie es zu wiederholen |505| war. »Ich weiß es wirklich nicht«, gestand er ein. »Plötzlich überkam mich ein ganz sonderbarer Zustand. Und das Fließen des
     Wassers veränderte sich und stand mir bei,

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