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Das erste Schwert

Titel: Das erste Schwert Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Kashina
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sanfte, einschmeichelnde Stimme aus diesen Schattentiefen hervor.
    Der Priester, der sie hierhergeführt hatte, verbeugte sich und strich seine Kapuze zurück. Ein knochiges Gesicht, das fast
     zur Hälfte von einer grotesken Hakennase eingenommen wurde, kam zum Vorschein, farblose, wie aufgeblasen wirkende Augen starrten
     ehrerbietig, sicheldünne Lippen waren |560| wie zum Kuss gespitzt. Die zur Tonsur geschnittenen Haare des Mannes wurden bereits schütter; die darunter sichtbar werdende
     blasse Kopfhaut erinnerte Skip unwillkürlich an die toten Augen der
Stachligen Galeone
, die Ellah im Gasthaus
Zum gebrochenen Hufeisen
so heldenhaft verspeist hatte.
    »Ich danke Euch, Heiligkeit«, sagte er.
    »Der Allheilige Vater!«, wisperte Ellah.
    Sie alle starrten ihn an. Sie hatten so viel über diesen Mann gehört. Es schien unfasslich, dass er, der Hochehrwürdigste
     der Heiligen Kirche, an einem von ihnen ein persönliches Interesse haben mochte.
    Im Schatten unter der Kapuze richteten sich unsichtbare Augen auf sie – Skip spürte es ganz deutlich.
    »Was hat das Mädchen hier zu suchen?«, wurde Bruder Boydos angeherrscht.
    »Ein Mädchen, Allehrwürdiger?«
    »Ihr habt richtig gehört, Oberster Inquisitor! Jenes dort!« Der Allheilige Vater deutete auf Ellah.
    Der Priester schaute verdutzt.
    Der Allheilige Vater schlenderte gemächlich zu ihnen heran. Nach wie vor war sein Gesicht nur als Schattenabgrund zu sehen.
     Skip starrte mit entsetzt aufgerissenen Augen geradewegs in seine pulsierenden Tiefen.
Als schlage dort unten das ungeheuerliche schwarze Herz einer titanenhaften Naturgewalt!
Dieser Gedanke durchstrahlte kurz seinen benommenen Verstand – und schürte seine Angst ins Unermessliche. Seine Heiligkeit
     kam näher, immer näher. Das Pulsieren wurde überwältigend. Zerschmetternd. Allein jener Stumpfsinn, der Skips Geist umfing,
     seit er Kara an der Seite der Feinde in die Gaststube hatte treten sehen, bewahrte ihn davor, in die Knie zu brechen und sich
     vor dem Allheiligen Vater auf dem Boden zu krümmen.
    Das schwarze, wimmelnde, tentakelpeitschende Herz der Titanenmacht wollte, dass er sich diesem Mann vollkommen |561| unterwarf. Ihm gab und tat, was immer er von ihm verlangte.
    Er musste widerstehen.
    »Gebt mir ihre Waffen«, forderte der Allheilige Vater.
    In schwarze Roben gehüllte, geisterhafte Gestalten eilten herbei und händigten ihm Skips Schwert, Erles Axt und drei Dolche
     aus. Die Walder-Waffen waren ihm kaum mehr als einen gleichgültigen Blick wert – die Klinge jedoch erweckte seine Aufmerksamkeit.
    »Wickelt dieses Leder vom Griff!«, befahl er.
    Kaum dass das elegante Wellenmuster des Griffs sichtbar wurde, veränderte sich des Allheiligen Vaters Haltung. Eine urgewaltige
     Stille überkam ihn – und griff sogleich auch auf sämtliche Priester und Wachen über, die sich in dem kleinen Hof drängten.
     Selbst die Steine ringsumher schienen den Atem anzuhalten. Skip konnte nur stumm vor Grauen starren.
    Der Oberste Inquisitor war der Erste, der sich wieder fasste. »Gesegneter Shal Addim!«, hauchte er. »Es ist
wirklich
–«
    Eine Knochenhand ruckte empor und gebot ihm Einhalt.
    »Schweigt, Inquisitor!«, fuhr ihn der Allheilige Vater an. »Erinnert Euch der heiligen Worte aus dem
Buch der Gebote: Für einen jeden Erfolg steht tausendfaches Versagen.
Wir werden nicht vor der Zeit frohlocken!«
    Was reden sie da nur?,
dachte Skip.
    Der Allheilige Vater umfing ihn und seine Gefährten abermals mit seinem Schattenblick – lange. »Welcher von ihnen hat es getragen?«,
     fragte er.
    Skip spürte einen Stoß zwischen den Schulterblättern und stolperte einen halben Schritt weit nach vorn.
    »Dieser hier, Heiligkeit«, sagte eine Stimme hinter ihm.
    Die Knochenhand des Allheiligen Vaters ergriff Skips Gesicht beim Kinn und drehte es seitwärts. Es fühlte sich an, als berühre
     ihn eine Schlange. Das schwarze Titanenherz pulsierte |562| , die unsichtbaren Tentakel ringelten sich, wimmelten, peitschten. Skip hatte alle Kraft aufzubieten, um nicht zurückzuprallen.
     Blanker Aufruhr durchtobte ihn. Nicht zum ersten Mal meinte er inwendig zu Asche zu zerfallen – doch war es noch niemals eine
     so grauenvolle Erfahrung gewesen, so ganz und gar allumfassend zerschmetternd.
    »Blaue Augen«, murmelte der Allheilige Vater. »Aber rindenbraunes Haar. Untergeschoben vielleicht?«
    Er wandte sich von Skip zu Erle. »Blond mit grauen Augen«, äußerte er. »Möglich wäre es. Aber nicht

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