Das erste Schwert
dorthin
führt, und einen anderen, der kurz vor Weiden-Wirrholz in die Hauptstraße mündet. So könnt ihr euch den Umweg über die Sumpfstadt
ersparen und ein mögliches Zusammentreffen mit den Missionaren.«
|248| »Aber –«, platzte Skip heraus und unterbrach sich, als beide ihm das Gesicht zuwandten – noch dazu aufmerksamer als ihm lieb war.
»Ellah!«, sagte er deshalb ein wenig kurzatmig und hastig. »Wir müssen Ellah in der Sumpfstadt in Meisterin Marfas Gasthof
abliefern.«
Ein Rammsporn hätte Ellahs Erstarrung nicht wirksamer zu durchbrechen vermocht. Furiengleich ruckte das Mädchen herum und
herrschte ihn an: »Du übereifriger kleiner Schwätzer! Wer glaubst du, dass du bist? Wer gibt dir das Recht, andern zu sagen,
was sie zu tun haben? Niemand! Kümmere dich gefälligst um deine eigenen Angelegenheiten! Ich werde mich von euch
nicht
wie ein Kartoffelsack in der Sumpfstadt abladen lassen, hörst du? Ich komme mit euch! Denk’ nicht mal dran, mich davon abhalten
zu wollen!«
Skip holte tief Luft.
Sie ist auf Erle wütend
, erinnerte er sich.
Später tut’s ihr leid, was sie gesagt hat. Vielleicht
.
Aber laut sagte er nur: »Ich glaube nicht, dass das klug ist, Ellah.«
»Außerdem war es so nicht abgemacht«, warf Kara ruhig ein. »Wäre von Anfang an klar gewesen, dass
sie
mitkommt, hätte ich euch Jungs wohl nicht freiwillig meine Hilfe angeboten. Sie macht zu viel Ärger.«
Ellahs Blick glich einem Flammenschwert. »Ich werde
nicht
einfach hierbleiben«, erklärte sie.
Kara zuckte mit keiner Wimper. »Wie hast du gestern so schön gesagt? Wir sind zu viert, also stimmen wir ab. Die Meinung des
Jungen hast du gerade gehört.«
Ellah bedachte zuerst Skip mit ihrem mörderischen Flammenblick, dann Erle. Allerdings stand ihr vermutlich im gleichen Moment
auch dessen Missetat wieder vor Augen, und so senkte sie den Kopf und versteifte sich.
»Es ist zu gefährlich«, versuchte Skip, sie zur Vernunft zu bringen. Tief im Inneren jedoch tat sie ihm auch leid, da sie
so unerwünscht war und nicht zuletzt deshalb zurückgelassen |249| werden sollte. Aber sie allein aus Mitleid mitzunehmen und in ein tödliches Abenteuer zu verwickeln – nein, unverantwortlich
wäre das!
»Ist mir egal!«, fauchte sie dickköpfig. »Ich komme mit. Wenn ihr mich in der Sumpfstadt absetzt und allein weiterzieht, werd’
ich einfach euren Spuren folgen.«
»Nicht, wenn ich die beiden führe«, gab Kara zu bedenken.
Gänzlich unerwartet ergriff nun Garnald für Ellah Partei. »Soweit ich das sagen kann, mag’s für Ellah
hier
weit gefährlicher sein«, sagte er leise, aber dafür umso eindringlicher. »Ellah, du hast die Probe nicht abgelegt, stimmt’s?«
Sie sah ihn an. »Die Kirche hat meinen Eltern den Ehesegen verweigert. Behauptet meine Großmutter.« Noch nie hatte Skip sie
so geisterhaft flüstern hören.
»Die Priester tun denjenigen, die ihre Probe nicht bestehen, schreckliche Dinge an«, fuhr Garnald fort. »Und ihr Augenmerk
ruht längst auf Eichenhain, daran gibt’s nichts zu deuteln. Also frage ich mich: Wann kann Ellah sicher zu ihrer Großmutter
zurückgehen? Boris und Marfa jedenfalls dürften nicht imstande sein, ihr den nötigen Schutz zu bieten.«
»Aber wir doch auch nicht!«, sagte Skip, beinahe verzweifelt und zunehmend verwirrt von seinen widersprüchlichen Gefühlen.
Ungeachtet aller Zankereien mochte er Ellah – sie, Erle und er standen einander seit Kindertagen nahe; so gesehen, wäre es
schön, könnten sie auch diesen Weg gemeinsam gehen. Aber es war gefährlich, unkalkulierbar gefährlich. Die Priester, die Ritter,
der Dunkle Pfuhl, der Gorg’tal, die Mutter des Waldes – das alles war erst der Anfang gewesen. Was, wenn ihr etwas passierte?
War Ellah nicht unendlich viel schlechter dran, wenn sie mit ihnen kam, anstatt hier in der vertrauten Umgebung der Haindörfer
Unterschlupf zu suchen?
|250| »Wohl wahr«, stimmte Garnald zu, als habe er seine Gedanken wie in einem offenen Buch gelesen. »Deshalb bin ich der Meinung,
dass Ellah selbst entscheiden sollte. Umso mehr, da sie ohnehin entschlossen scheint, euch zu begleiten –«
Kara unterbrach ihn: »Ich sage trotzdem: Wir stimmen ab.« Das aufreizend spöttische Lächeln war in ihr Gesicht zurückgekehrt.
Ellah warf Erle einen flehenden Blick zu – den sie noch im gleichen Atemzug zu verschleiern trachtete; doch so oder so, Skips
Bruder war zu tief in Grübeleien
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