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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Drake
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hier niemand, was ein Wartebereich ist?« Dorcas war wütend. Sie war eine hagere Person. Ihre weißen Schuhe schienen im Vergleich zu den dünnen Knöcheln riesig zu sein. Aber sie war hochgewachsen, und trotz ihres fragil aussehenden Äußeren und der Tatsache, dass sie auf die Sechzig zugehen musste, verkörperte sie das Bild einer Frau von eiserner Gesundheit.
    Sie blickte wieder zu Andy, schüttelte besorgt und mitfühlend den Kopf und wandte sich dann Megan zu. »Sie möchten wohl gern, dass er schon wieder fit ist«, sagte sie, nun wieder mit mehr Geduld. »Sie möchten, dass er spricht. Manchmal bildet man sich etwas ein. Ja, wenn Praktikanten in der Pathologie anfangen, sind sie oft davon überzeugt, dass wir auf den Stationen Fehler gemacht haben, weil die Leiche mit so vielen Gasen angefüllt ist, und der Tod bringt Veränderungen mit sich, die Reflexe erzeugen. Tut mir leid«, sagte sie achselzuckend. »Ich wollte das Wort Pathologie wirklich nicht erwähnen. Vielleicht schafft Andy es ja. Aber erstmal muss er die kommende Nacht überstehen. Gehen wir jetzt bitte alle wieder hinaus. Ihr Mann macht mich nervös. Er kommt mir vor wie ein riesiger Transformator oder so etwas, der im Begriff ist, durch das Glas zu dringen.«
    Megan versuchte zu lächeln. Es gelang ihr nicht.
    Sie glaubten nicht, dass Andy gesprochen hatte.
    Aber sie wusste es. Zumindest glaubte sie es zu wissen. Sie wunderte sich, dass ihr niemand etwas anmerkte, denn es kam ihr vor, als würde jede Faser ihres Körpers heftig zittern. Sie hatte einen Moment schieren Entsetzens unterdrückt, und nun fragte sie sich, ob sie den Verstand verlor oder ob sie wirklich das Ziel eines wahrhaft bösen Wesens war. Was es auch immer war, sie hatte ernste Probleme.
    Dorcas drängte sie aus dem Zimmer. Sie ging. Vor der Tür wäre sie beinahe mit Finn zusammengestoßen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte er.
    In dem eigenartigen Krankenhauslicht sah es aus, als habe er ein seltsames Funkeln in den Augen. Ein quälender Gedanke kam ihr in den Sinn. Andy hatte nicht sie angestarrt, sondern über sie hinweg. Zu den Glasfenstern. Wo Finn stand.
    Sie nahm sich zusammen und kämpfte gegen den Wahnsinn in ihrem Kopf an. Sie liebte Finn. Was war Liebe? Glauben, Vertrauen. Sie hatten diese Lektion gelernt. Aber man konnte Liebe ganz gut auch als Wahnsinn definieren, wenn man jemanden so sehr begehrte, dass die Wahrheit keine Rolle spielte, solange man sie leugnen konnte. Morwenna hatte sie vor Finn gewarnt, Finn war ein Geschöpf in ihren Albträumen gewesen, Finn war sehr wahrscheinlich in Boston gewesen, als dort ein schrecklicher Mord verübt wurde.
    Finn hatte sie letzte Nacht vor einem Überfall gerettet.
    Vor einem unsichtbaren Angreifer.
    Stopp! Sie musste sich zwingen.
    Finn wusste selbst nicht einmal, was vor sich ging.
    »Megan?«, fragte er.
    Martha kam hinter ihr aus dem Zimmer. Megan musste ihm nicht sofort antworten. »Finn, mein Lieber, wie geht es dir?« Martha stellte sich auf die Zehen, um ihn auf die Wange zu küssen.
    »Danke, Martha, und dir?« Er erwiderte ihr Küsschen. »Es tut mir sehr leid. Ich wusste nicht, dass du mit Andy so gut befreundet bist«, sagte er mitfühlend.
    »Na ja, eigentlich sind wir gute alte Streithähne«, meinte sie gequält. »Aber wir kennen uns eben schon eine Ewigkeit, und deshalb … natürlich liegt mir etwas an dem alten Trottel!«
    Finn nickte und blickte wieder zu Megan.
    »Martha, du versperrst mit deiner Familie den ganzen Flur«, tadelte Dorcas.
    »Ja, ja, wir gehen ja schon. Und vielen Dank, Dorcas. Kommt, Kinder«, sagte sie und fasste Finn und Megan unter. »Dorcas hat jetzt lange genug Geduld mit uns gehabt.«
    »Wie geht es ihm?«, fragte Finn, als sie zu den Aufzügen gingen.
    »Wenigstens hält er noch durch«, antwortete Martha. »Megan dachte, er hätte etwas gesagt, aber als Dorcas seine Vitalfunktionen nachprüfte, war keine Veränderung feststellbar. Was meinst du denn, was er gesagt hat, Liebes?«
    Megan schüttelte den Kopf.
    »Dorcas hatte recht. Ich muss mir eingebildet haben, dass er die Augen geöffnet hatte … dass er etwas sagte.«
    »Aber was sagte er?« Dieses Mal kam die Frage von Finn.
    War er besorgt, dass Andy vielleicht etwas gesagt hatte, das ihn betraf?
    Inwiefern betraf?
    »Ich weiß es wirklich nicht. Es war nur ein Murmeln. Vielleicht meinen Namen«, sagte Megan mit dem Versuch eines lässigen Achselzuckens.
    Finn sah sie stirnrunzelnd an.
    Das Böse … da!, hatte Andy

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