Das Erwachen
könnt ihr morgen zum Essen zu mir kommen«, schlug Martha vor, »vor eurem Konzert. Am Abend von Halloween bringt kein Restaurant in der Stadt etwas Anständiges auf den Tisch – es geht einfach alles viel zu verrückt zu.«
»Ich denke, für uns wird es viel zu verrückt zugehen«, murmelte Megan. Lucian hatte sie gewarnt, nichts über ihre Abreise verlauten zu lassen. Aber das war eben Tante Martha.
Doch Martha musterte sie genau. »Hm. Ich verstehe. Ihr wollt Sam Tartan im Stich lassen, wie? Megan, habt ihr euch gut überlegt, was das für eure Karriere bedeutet?«
»Wir lassen niemand im Stich«, log sie unbekümmert. »Ich will mich nur jetzt richtig verabschieden, für den Fall, dass wir morgen keine Zeit mehr füreinander haben.«
»Meinst du wirklich, du solltest wieder mit Finn nach Huntington House zurückgehen? Vielleicht wärt ihr besser beide hiergeblieben«, sagte Martha bestimmt.
»Uns geht es bestens«, sagte Megan. Und wünschte, es selbst glauben zu können.
Finn kam an die Tür, um sie abzuholen. »Fertig? Martha, wirklich, du warst einfach wundervoll. Zu uns beiden. Vielen herzlichen Dank für alles.«
»Ich sehe euch beide morgen im Laufe des Tages«, beharrte sie stur.
Finn küsste sie auf die Wange. »Na klar. Fertig, Megan?«
Sie umarmte ihre Tante noch einmal fest. »Ich liebe dich.« Dann ging sie an Finns Arm zum Wagen.
Während der Fahrt blickte sie ihn von der Seite an. »Wir haben ein kleines Problem, weißt du das?«
»Hm?«
»Was ist mit unserem Equipment?«
Er blickte noch einen Moment geradeaus, dann wandte er sich mit einem wehmütigen Lächeln ihr zu. »Nichts ist so viel wert wie unser Leben, oder unsere Ehe«, sagte er und ergriff ihre Hand.
Megan lächelte. Die Welt um sie herum war dunkel, hier draußen bei Tante Martha, doch plötzlich hatte sie das Gefühl, am Ende eines sehr langen Tunnels das Licht zu sehen.
Im Krankenhaus war Schichtwechsel. Die Schwestern hatten drei Schichten pro Tag, doch es spielte keine Rolle, wer kam, denn Dorcas betrachtete sich als Autorität über ihre Patienten der Intensivstation.
Janice Mayerling, achtundzwanzig, attraktiv – und tatsächlich mit einem Leben außerhalb der Klinik, danke schön – hörte Dorcas zu und versuchte, ruhig zu bleiben, während sie ihr eine lange Liste selbstverständlicher Anweisungen bezüglich der Behandlung von Andy Markham erteilte.
Janice kannte Andy nicht wirklich – sie war erst vor Kurzem in diese Gegend gezogen, weil sie gehört hatte, dass das Krankenhaus ausgebildete Schwestern brauchte und gut bezahlte. Sie kam aus Connecticut, nicht so schrecklich weit weg, aber weit genug und nahe bei New York, wo die Welt vielleicht ein wenig wahnsinnig war, aber ständig so geschäftig, dass man sich nicht auf eine bestimmte Epoche der Geschichte fixieren konnte wie hier in Salem. Es machte ihr nichts aus, heute Nacht zu arbeiten, denn die nächste Nacht hatte sie frei, konnte also Halloween feiern.
Und wenn man in Salem lebte, dann musste man die Chance auf eine gute Partynacht unbedingt wahrnehmen.
»Eine Menge Leute von hier behaupten, sie wären praktisch mit dem alten Andy verwandt, und versuchen, auf diese Weise reinzukommen. Du lässt sie nicht hinein. Ich habe schon Martha eine Weile zu ihm gelassen, Händchen halten, mit ihm reden. Keine Veränderung. Aber ein kleiner Grippevirus, und Andy ist in Sekunden hinüber. Ganz offen gesagt, ich bezweifle sowieso, dass er es schafft, aber er war immer ein netter alter Knacker, auch wenn er ziemlich gesponnen hat, also tun wir unser Bestes und sehen zu, dass er bei uns bleibt. Verstanden?«, fragte Dorcas mit herrischem Ton.
Das reichte.
Janices Ruhe war dahin. »Dorcas, ich weiß nicht, was du machst, aber ich tue mein Bestes, damit jeder meiner Patienten am Leben bleibt!«
Dorcas versteifte sich bis zu den Sohlen ihrer Schwesternschuhe. »Es gibt keinen Grund, anmaßend zu werden, Janice. Überhaupt keinen. Ich betone lediglich, dass dieser Patient spezielle Aufmerksamkeit benötigt.«
»Dorcas, dies ist eine Intensivstation! Unsere Patienten sind hier, weil sie spezielle Pflege benötigen!«
Janice wollte nicht zurückstecken. Aber Dorcas ebenso wenig.
»Wenn ich morgen wiederkomme, würde ich gern feststellen, dass Andy noch am Leben ist!«, warnte sie.
Janice biss sich auf die Lippe. Die Oberschwester der zweiten Etage kam den Flur entlang. Vor dieser Frau wollte sie sich nicht auf eine Auseinandersetzung einlassen.
»Gute Nacht,
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