Das Erwachen
fertiggebracht, dass ich alles sage oder tue. Ich glaube, er ist gefährlich, und … morgen ist die Halloween-Nacht. Er ist gefährlich, und du bist gefährlich. Ich weiß, dass du gefährlich bist, Finn. Ich glaube nicht, dass du es sein willst – du bist es einfach. Du bist der Auserwählte oder so etwas.«
Er beobachtete sie und dachte an die heftige Feindseligkeit, die er ihr gegenüber empfunden hatte, und dieses fast lächerliche Verlangen, sie sexuell zu besitzen, sie zu überwältigen. Jetzt im Moment kam sie ihm einfach nur wie irgendeine junge Frau vor, die sich für eine Halloweenparty zurechtgemacht hatte. Sie schien jedoch aufrichtig zu sein.
»Du solltest dich irgendwo einschließen«, sagte sie.
»Vielen Dank«, erwiderte er gewichtig. »Ich werde eingehend darüber nachdenken.«
»Finn, ich meine es ernst. Weißt du, ich habe mir heute Abend Megan angesehen, als sie sang, und … sie hatte eine Aura um sich.«
»Eine Aura. Was heißt das?«
»Es heißt, sie wird sterben«, sagte Sara. Damit wandte sie sich ab und verschwand in der Menge.
Er beobachtete aus dem Verborgenen.
Und kurz vor Mitternacht passierte es.
Die Tür zur Intensivstation öffnete und schloss sich. Die Gestalt in Chirurgenkittel, Haube und Mundschutz trat langsam ein, mit Schutzhüllen an den Füßen bewegte sie sich leise durch den Raum.
Er wartete.
Die Gestalt beugte sich über das Bett und betrachtete Andy Markham. Die Sekunden verrannen.
Dann ging die Gestalt daran, sich an den Verbindungen zwischen den Monitoren und dem Sauerstoffgerät zu schaffen zu machen.
Und bückte sich.
»Nein!«
Lucian trat vor und sagte nur dieses eine Wort. Die Gestalt wirbelte herum.
Zu seinem Erstaunen erkannte er Tante Martha, die gekommen war, um dem alten Andy Markham den Garaus zu machen.
Finn beobachtete Megan besorgt, als sie auf die Bühne zurückkam.
»Was ist denn los?«, fragte sie ihn.
»Nichts«, sagte er. »Gar nichts.«
»Du lügst.«
Er schüttelte den Kopf. »Sind Morwenna und Joseph hier?«
»Wenn ja, habe ich sie nicht gefunden«, antwortete Megan. Sie war überzeugt, dass ihre Cousine und Joseph heute Abend kommen würden. Neugierig beobachtete sie Finn, denn er schien etwas blass geworden zu sein, wollte das jedoch nicht ansprechen. »Es wird spät, aber ich bin sicher, Morwenna und Joseph kommen noch irgendwann. Es sei denn, sie sind einfach zu müde. Aber Theo Martin habe ich an der Bar gesehen. Er hat heute keinen Dienst, meinte jedoch, er wollte trotzdem die Augen offen halten; die Leute werden ganz gern umso verrückter, je mehr es auf Halloween zugeht. Auch einfach nur rüpelhaft, du weißt schon. Er hat mir erzählt, in der Zeit um Halloween spielen die Jungs vom College hier bei Touristenführungen manchmal gerne Spukgeister und machen dabei ziemlich dumme Sachen, die die Leute verletzen – sie versuchen zum Beispiel, mit Bettlaken verkleidet in Häuser einzubrechen und kommen dann auf die Balkone heraus. Letztes Jahr verkleidete sich einer als Geist und fiel aus einem Fenster im ersten Stock von einem der historischen Gebäude. Zum Glück landete er in einem Gebüsch und brach sich lediglich ein Bein. Aber Theo hat den Kerl auf dem Parkplatz letzte Nacht Gott sei Dank sehr ernst genommen; er sagte Sam, er müsse ein paar Männer anheuern, und die Polizei würde ein paar Beamte zusätzlich abstellen. Deshalb sind heute Nacht hier und am Parkplatz einige zusätzliche Polizisten.«
Finn nickte. »Ich habe ein paar von ihnen gesehen.«
Sie lächelte. »Also, warum bist du dann so blass?«
»Wir müssen wieder eine Weile in die Sonne kommen, deshalb«, erwiderte er leichthin und warf einen Blick auf seine Uhr. »Unsere Pause ist um. Spielen wir wieder.«
Megan nahm ihr Mikrofon zur Hand und blickte über die Menge hinweg, während Finn das nächste Stück ankündigte. Sehr dicht an der Bühne stand ein Gevatter Tod. Er trug eine Kapuze, die sein Gesicht fast vollständig verdeckte, und dennoch …
Sie konnte seine Augen sehen.
Sie erschauderte.
Es sah aus, als würden seine Augen im Dunkeln glühen. Wie die einer Katze.
Oder eines Wolfs.
Martha blieb still stehen, starrte auf Lucian, schien ihn jedoch nicht zu sehen. Sie war nicht einmal überrascht, dass er im Raum war, ein Fremder.
»Was tun Sie da?«, fragte er sie.
Sie starrte ihn unverwandt an.
»Martha!«, herrschte er sie an und wedelte mit einer Hand vor ihrem Gesicht. Sie reagierte nicht. Er schnippte mit den Fingern, und nun
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