Das Erwachen
Kirche«, erzählte er Lucian, während er seinen Blick nach vorne auf die Straße richtete. »Dabei hatte ich irrsinnige Schmerzen. Ich dachte, mein Schädel würde zerspringen.«
»Habt ihr mit einem Priester gesprochen?«
»Ja … mit Father Mario Brindisi.«
»Hat er dich gesegnet?«
»Ja«, antwortete Finn mit einem neugierigen Blick auf Lucian.
Der zuckte lediglich mit den Schultern.
Finn zögerte. »Also, lass es mich mal so sagen. Ich glaubte zu sterben, solche Schmerzen hatte ich in dieser Kirche. Und mit allem, was passiert ist … was ich auch immer sage und auch wenn ich es andauernd abstreite – ich habe Angst. Ich habe Angst, dass … dass ich vielleicht doch dieses Mädchen in Boston getötet habe und dass ich … dass ich jemandem etwas antun könnte. Dass mit mir etwas passiert. Also … wenn es also so weit kommt, dass ich jemandem etwas antun könnte … irgendjemandem – aber insbesondere Megan –, dann musst du mich zurückhalten. Mit welchen Mitteln auch immer. Schwöre mir, dass du das tun wirst.«
Jetzt endlich wandte sich Lucian ihm zu. »Vertraue mir. Falls du Megan oder irgendjemanden in deiner Umgebung bedrohst, bringe ich dich schneller zu Fall, als du schauen kannst. Okay? Und jetzt sehen wir mal, wie es dir in der Kirche geht.«
Ein Parkplatz war rasch gefunden; es war noch früh am Morgen, und trotz des Chaos wegen des Hotelbrands stellten sich die meisten Menschen noch immer auf eine großartige Nacht ein.
Bereits während sie auf die Kirche zugingen, fiel Finn zurück, denn er spürte schon wieder das Hämmern in seinem Kopf. Lucian öffnete die Tür und trat ein. Als Finn taumelte, kam Lucian ihm zu Hilfe und legte einen Arm um ihn. Finn kämpfte mit aller Kraft gegen die Qualen an, die auf ihn einstürmten.
»Du schaffst es«, versicherte ihm Lucian.
Er schleifte Finn halb das Kirchenschiff entlang und setzte ihn schließlich in einer der vorderen Bänke ab. Vor dem Altar hielt er eine Minute inne; Finn konnte zwar fast nichts sehen, doch er beobachtete ihn und bemerkte, dass sich seine Lippen bewegten. Dann erhob sich Lucian wieder; offenbar hatte er die Ankunft des Priesters bemerkt.
»Father, wir brauchen Ihre Hilfe«, bat Lucian den Gottesmann.
Der Priester betrachtete ihn lange reglos. »Sie wissen, dass ich ohne das Einverständnis von Rom nichts tun kann«, sagte er schließlich.
Lucian schüttelte den Kopf. »Sie haben Angst.«
»Vor Ihnen? Ja, habe ich. Große Angst.«
Wieder schüttelte Lucian den Kopf. »Father, auch wenn Sie noch so viele Ängste haben, wir brauchen Ihre Hilfe. Doch ich verstehe es, wenn Sie uns nicht helfen können. Aber dann bitte ich Sie wenigstens, den Diebstahl nicht zu bemerken, den ich gleich begehen werde.«
Father Brindisi nickte bedächtig. Dann ging er zu Finn, der inzwischen kreidebleich war. Die beiden starrten sich stumm an. Der Priester hörte, wie Lucian im Kirchenraum herumlief und an sich nahm, was er brauchte.
Plötzlich versteifte er sich, und er schien zu wachsen. Er hielt Lucian eine Hand hin. »Das Weihwasser. Geben Sie mir ein Fläschchen davon.«
Lucian gehorchte. Father Brindisi hielt das Wasser über Finns Kopf. »Herr, beschütze deinen Diener. Lass ihn auf deinem Pfad wandeln. Schütze ihn und stärke ihn gegen das Böse.«
Das Weihwasser ergoss sich auf Finns Kopf. Er meinte, erschossen zu werden. Von Schmerzen gekrümmt, fiel er vornüber. Der Priester hörte nicht auf. Er erflehte Gottes Segen. Finn konnte hören, wie die Worte des Gebets stärker und stärker wurden.
Er fühlte einen Stich durch seinen Schädel und fiel in Ohnmacht.
Die Schicht im Krankenhaus hatte gewechselt. Eine Frau, die Martha nicht gut kannte, hatte für Janice den Dienst übernommen. Martha erklärte sich höflich, sagte, Dorcas habe es großartig gefunden, dass sie, »fast eine Verwandte«, sich zu Andy gesetzt und mit ihm gesprochen habe.
Doch die neue Krankenschwester – eine Miss Matthews – war nicht einverstanden.
»In meiner Schicht geht niemand da hinein. Der Arzt war bereits hier. Es hat sich nichts verändert, und er hat zu mir kein Wort darüber gesagt, dass ich es erlauben könnte, jemanden zum Händchenhalten oder für einen anderen derartigen Unsinn hineinzulassen!«
»Ich muss aber bei Andy sein!«, beharrte Martha.
»Andy liegt im Koma!«, hielt Miss Matthews dagegen. »Und Sie gehen da nicht hinein. Nicht, solange ich Dienst habe!«
Martha hätte ruhig, gelassen und absolut entschlossen und
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