Das Erwachen
nie im Leben so etwas Schreckliches tun. Und Finn … also, ganz egal, wie seltsam das alles sein mag, aber er würde so etwas auch nicht tun. Jedenfalls nicht mit Absicht.«
Dieser Kerl war komisch. Er flößte ihr Angst ein. Irgendetwas stimmte nicht mit ihm. Martha atmete tief. »Sie sagen, sie ist in Sicherheit?«
»Ja.«
Martha ging an ihm vorbei zu Andy. »Ich … das glaube ich nicht. Ich spüre es nicht. Ich war so dumm all diese Jahre. Immer habe ich darauf bestanden, dass etwas Ungewöhnliches nicht wahr sein kann, obwohl ich … gespürt habe, dass da etwas … im Gange war. All die Jahre. Ich dachte, Morwenna ist so albern mit ihren Mätzchen und ihrem Hokuspokus, aber …«
Sie betrachtete den Fremden, der nun näher bei ihr stand. Er sah aus wie der nette Nachbarsjunge. Der große, blonde, sportlich-adrette Junge von nebenan. Sie wusste, dass sie ihn noch nie gesehen hatte, aber er schien zu wissen, wer sie war, und es stimmte, er schien definitiv zu wissen, was hier im Gange war. Sie schluckte und wusste nicht, wem sie trauen sollte.
»Andy hat immer geredet. Er hat seine Geschichten natürlich für die Touristen erzählt. Aber … er war überzeugt, seit Jahren schon, dass etwas bevorstand. Und mit allem, was er so angedeutet hat … das macht mir Angst. Angst, dass es etwas mit Megan zu tun hat. Und einiges davon ist vielleicht meine Schuld. Als sie heirateten, sie und Finn, natürlich, war ich stolz wie ein Pfau. Überall bin ich herumgelaufen und habe die Fotos hergezeigt. Und Andy ist wütend auf mich geworden! Zuerst dachte ich, dieser verrückte alte Trottel, und ich wollte, dass er verrückt ist. Ich habe ihn ignoriert und bin jedes Mal, wenn er versuchte, mit mir zu reden, wütend geworden. Er weiß etwas. Ich bin nicht hier, weil ich Andy etwas antun möchte – auch wenn ich schon einmal da war, ohne es zu wissen. Anscheinend war damals einer Ihrer anderen Freunde hier! Deshalb musste ich zurückkommen. Wenn ich es schaffe, dass er aufwacht, kann er helfen.«
»Ich habe es Ihnen gesagt – Megan ist in Sicherheit.«
Martha schüttelte vehement den Kopf. »Das glaube ich nicht. Sie mögen das ja denken und auch, dass Sie und Ihre Freunde sie beschützen können. Aber da ist noch etwas, etwas sehr Ungutes.«
»Wir werden niemals zulassen, dass sie ihr etwas antun«, erklärte Rick rundheraus.
»Sie verstehen nicht. Ich glaube nicht, dass sie ihr etwas antun wollen.«
Rick Beaudreaux runzelte die Stirn. »Sie meinen, sie wollen Finn töten, nicht Megan?«
Martha schüttelte den Kopf und atmete heftig durch. Sie schaute ängstlich auf den Flur hinaus, doch dort war es nach wie vor still.
»Sie wollen sie beide nicht physisch ermorden«, sagte sie leise.
»Wie meinen Sie das?«
»Ich weiß nicht … genau. Oh, sogar jetzt, wo Megan und Finn hier sind und miteinander streiten und ich so ein komisches Gefühl habe, habe ich mich geweigert, irgendetwas davon zu glauben! Aber jetzt, seit dem Anschlag auf Andy – und ich bin ganz sicher, dass es das war, ein Anschlag! – habe ich mir alles, was er gesagt hat, noch einmal durch den Kopf gehen lassen – und was es bedeuten könnte. Ich weiß nicht, ob ich selbst irgendetwas von all dem glaube, aber als Andy so schwafelte … es war etwas wie ›Bac-Dal will Megan‹, aber der Punkt ist, Bac-Dal muss in menschlicher Gestalt zurückkommen. Sie haben vor, Finn zu ermorden, ja, sein Wesen, seine Seele, nennen Sie es, wie Sie wollen. Und dann soll aus Finn Bac-Dal werden. Ich glaube, dass der Dämon schon in ihn gedrungen ist, dass er die Träume verursacht hat, dass … er Finn werden wird. Und dann habe ich Angst, dass …«
Sie unterbrach sich, Tränen standen ihr in den Augen.
»Ich habe Angst, dass er sich anfangs mit Megan verlustiert und sie ihm dann geopfert wird, oder …«
»Oder?«
»Oder jemand anderer, jemand, der Bac-Dal dienen will, wird sich ihre menschliche Gestalt aneignen, und die Megan, die ich kenne und liebe, wird auf dem Altar sterben, genauso, als wenn ihr dort die Kehle aufgeschlitzt würde und ihr Blut die Erde überflutete.«
* * *
Aus der Dunkelheit kam Finn in einer anderen Welt zu sich.
Einer Nebelwelt.
Er durchschritt sie kühn, nackt lief er auf der grünen Erde und roch die kräftigen, sinnlichen Düfte des Waldes. Der Nebel berührte sein unbedecktes Fleisch, und nach und nach, während er sich durch die quirlende Region seltsamen, eklektischen Vergnügens bewegte, wurde aus dem sanften Streicheln
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