Das Erwachen
führte sie zurück zur Bühne. Dort nahm er das Mikrofon, schaltete es ein und stellte sie noch einmal vor. Megan holte ihr eigenes Mikro. Sie hörte zu, während Finn die Gäste begrüßte und sich bei ihnen bedankte, dass sie so zahlreich erschienen waren. Er war der geborene Frontmann, vor einer Menschenmenge zu sprechen fiel ihm so leicht, wie Butter auf eine Scheibe Toast zu schmieren. Sein Selbstvertrauen war angenehm, weil es völlig unprätentiös war, und seine tiefe, weiche Stimme war höllisch sexy. Verblüfft stellte sie fest, dass es, egal was zwischen sie getreten war, keine Zeit gegeben hatte, in der es ihr nicht als die natürlichste Sache der Welt erschienen wäre, mit ihm zusammenzuarbeiten.
Er stellte einen ihrer eigenen Songs vor, eine Liebesballade über einen Straßenräuber, die Frau, in die er sich verliebt hatte, und den Henker, dem er sich schließlich stellen musste. Er begleitete nur mit der Akustikgitarre. Die Melodie hatte etwas Betörendes, und die Geschichte war lang und tragisch. Sie fragte sich, ob der Song bei den Leuten hier funktionieren würde, die scharf aufs Tanzen waren, und bei Bedienungen, die Essen brachten, bei klirrenden Gläsern, Messern und Gabeln.
Aber Finn grinste nur in seiner üblichen sorglosen Zuversicht und zuckte mit den Schultern, als er anfing zu spielen. Also zuckte auch sie die Schultern, und sie trugen den Song vor und lieferten sich ihre Stichworte, indem sie sich in die Augen sahen.
Er spielte den letzten Akkord. Verwundert stellte Megan fest, dass es im Saal mucksmäuschenstill war. Sie sah sich um. Selbst die Bedienungen waren stehen geblieben. An manchen Tischen hatte die Hälfte der Leute ihr Essen schon bekommen, die übrigen Teller aber standen noch auf den Tabletts.
Dann brach ein stürmischer Applaus los. Die Leute standen auf und klatschten. Manche riefen begeistert »Bravo! Toll!« Der Beifall wollte gar nicht enden.
Finn zwinkerte ihr zu, dann bedankte er sich beim Publikum. Megan merkte, dass ein Großteil seines Charmes auf seiner Fähigkeit beruhte, jedem Zuhörer das Gefühl zu geben, dass er ihn ganz persönlich ansprach.
Und er ließ ihren strahlenden Triumph auch nicht einfach verblassen. Er trat ans Keyboard und die Verstärker, nickte ihr zu und lieferte das Stichwort fürs nächste Lied, indem er verkündete: »Wir wurden um ein Stück aus der Big-Band-Ära gebeten. Megan kann zwar nicht alle Andrews Sisters auf einmal verkörpern, aber ihr Boogie Woogie Bugle Boy ist trotzdem nicht zu verachten.«
Der Big-Band-Ära folgte ein brandneuer Hit, dann spielten sie einen eigenen Song und beendeten den Set schließlich mit einem weiteren Duett: I Can’t Help Falling in Love with You. Finn kündigte die Pause an, versprach, dass sie danach weiterspielen würden, und dankte noch einmal allen für ihr Kommen.
Sobald er das Mikrofon abgestellt hatte, packte er ihre Hand. »Ich lasse dich nicht mehr alleine weg. Andy Markham könnte sich wieder auf dich stürzen und dir eine Gänsehaut verpassen.«
»Ich rühre mich nicht von der Stelle«, meinte sie.
»Das musst du aber, sonst denken alle, ich tue etwas Böses, wenn ich dich hochhebe und an den Tisch trage.« Sein Tonfall klang unbeschwert, aufrichtig scherzend. Sie fühlte sich seltsam erleichtert und freute sich, dass sie in Salem so gut ankamen. Sie wusste, dass seine Eltern ihn immer wieder von seiner Musikerkarriere hatten abbringen wollen. Es bedeutete ihm viel, damit seinen Lebensunterhalt zu verdienen.
Sie streichelte liebevoll seine Wange. »Du bist unglaublich.«
»Selbstverständlich«, scherzte er, doch dann fügte er ernst hinzu: »Aber nur mit dir an meiner Seite.«
»Das ist lieb von dir«, murmelte sie, dann drehte sie sich rasch um, denn sie sah, dass Morwenna ihr heftig zuwinkte.
Sie eilten an den Tisch. Morwenna hatte offenbar wirklich gezaubert, denn sobald sie sich setzten, wurden schon die Teller vor ihnen abgestellt. Die gute, alte amerikanische Küche: zwei brutzelnde Steaks, Ofenkartoffeln, grüne Bohnen.
»Fantastisch, vielen Dank, genau zur rechten Zeit«, lobte sie.
»Und die Steaks sehen wirklich gut aus«, meinte Finn. Er säbelte sich einen Bissen ab. »Kurz gebraten, sehr kurz. Blutig, so wie ich es am liebsten habe.«
Eigentlich schätzte er es gar nicht, wenn sein Steak noch blutig war. Megan fragte sich, ob er das sarkastisch gemeint hatte. Aber als sie ihn ansah, blickte er auf Joseph und wirkte offenkundig erfreut über die
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