Das Erwachen
mir gut. Glaub mir.« – »Sicher?« Er wirkte skeptisch.
»Ganz sicher. Ich bin nur ein bisschen müde.« Es war spät, fast zwei Uhr morgens.
Offenbar glaubte er ihr endlich. Er lächelte sie an, und es wirkte wie eine Liebkosung, als er ihr zärtlich ins Ohr flüsterte: »Wie müde?«
»Müde genug, um mich in einen abgeschlossenen Raum zurückzuziehen. Allein zu sein. Na ja, allein mit dir, natürlich.«
Er legte den Arm um ihre Schulter und führte sie zum Hauptausgang. An der Kasse bedankte er sich noch bei dem Jungen, der ihre CDs verkauft hatte. Kurz darauf saßen sie im Auto und fuhren los.
Megan rutschte ein wenig näher und lehnte den Kopf an seine Schulter. »Der Auftritt war toll, nicht wahr?«
»Fantastisch. Alles lief ganz hervorragend.«
»Also war es doch nicht so schlecht, herzukommen«, sagte sie. Wollte sie sich oder ihn davon überzeugen?
»Bislang jedenfalls«, murmelte er.
»Was ist los?«
»Keine Parkplätze«, meinte er.
»Das ist wirklich ein Problem in der Stadt. Huntington House ist nicht gerade klein, sie sollten Privatparkplätze zur Verfügung stellen und ihre Gäste nicht auf der Straße parken lassen.«
»Stimmt – vor allem, wenn ein Mr Fallon im Anwesen herumgeistert«, erwiderte Finn.
»Wir hätten im Hotel bleiben sollen«, murmelte Megan. »Sie haben uns doch ein recht günstiges Angebot gemacht.«
»Tja, aber Huntington House klang spannender«, meinte Finn.
»Ach, jetzt fällt mir ein: Gleich um die Ecke gibt es tatsächlich einen Parkplatz, der für die Gäste reserviert ist«, erklärte Megan. »Mr Fallon hat mich darauf hingewiesen, aber ich hatte es völlig vergessen. Es heißt zwar, dass man dort abgeschleppt wird, aber nur, weil die Plätze zu Huntington House gehören.«
»Klingt gut. Dann müssen wir nicht so weit laufen.«
Finn bog um die Ecke. Der Parkplatz war nicht besonders groß. Er lag hinter einer Reihe von Häusern, die im Kolonialstil erbaut und in viktorianischer Zeit mit Gitterwerk im Zuckerbäckerstil versehen worden waren. Sie parkten den Wagen und stiegen aus. Die Nacht schien gespenstisch ruhig.
Beim Losfahren war es klar gewesen. Jetzt kam dichter Nebel auf, eine richtige Suppe. Als Megan aus dem Auto stieg, war ihr, als würde sie in einen Sumpf treten.
»Sieh dir das an! Und so plötzlich!«, meinte Finn.
»Tja, wir sind in Neuengland. Und wie heißt es hier so schön: Wenn dir das Wetter nicht gefällt, warte einfach ab, denn es schlägt bald um. Leider oft nicht zum Besseren.«
»Komm her, solange ich dich noch sehen kann«, sagte Finn.
Er trat zu ihr, und sie beeilte sich, in seinen Arm zu flüchten.
»Unheimlich, hm?«, murmelte sie.
»Aber wenigstens bleibst du so immer schön in meiner Nähe.«
»Man sieht ja kaum die Straßenlampen.«
»Stimmt. Hoffentlich laufen wir in die richtige Richtung.«
Megan blickte zum Himmel. Durch den Dunst schimmerte der Mond. Er war noch nicht ganz voll, wirkte jedoch schon ziemlich rund. Der Vollmond fiel dieses Jahr passenderweise genau auf Halloween.
»Im silbernen Licht des Mondes«, zitierte sie aus einem ihrer Lieder.
»Hm. Bislang laufen wir immerhin auf einem Bürgersteig.«
»Stimmt, und wir sind nur knapp einen Block entfernt.«
»Ich sehe schon das Schild.«
Megan war froh. Sie konnte sich den Schrecken nicht erklären, der ihr durch Mark und Bein drang wie die Feuchtigkeit des Nebels. Auf einmal glaubte sie etwas hinter ihnen zu hören.
Es waren keine Schritte.
Es war wie ein seltsames Wispern, als ob etwas fliegen oder knapp über dem Boden schweben würde. Etwas wie ein kalter, dunkler Wind, in dem eine raue menschliche Stimme mitschwang. Sie schluckte mühsam und beschleunigte ihre Schritte.
»Hey, was ist los?«, fragte Finn. »Pass auf, dass du nicht stolperst.«
»Ja, tut mir leid. Mir gefällt es heute Nacht nicht besonders hier draußen.«
»Ich bin doch bei dir.«
Sie verstummte. Schuldbewusst gestand sie sich ein, dass sie fürchtete, seine Anwesenheit würde nicht ausreichen, die drohende Gefahr abzuwenden.
»Es ist nur … es könnte ja plötzlich ein krimineller Irrer auftauchen.«
»Ich beherrsche mehrere Kampfsportarten«, erinnerte er sie.
»Kriminelle haben Pistolen und Messer.«
»Ich wusste nicht, dass die Verbrechensrate in Salem so hoch ist.«
»Man kann nie wissen.«
»He, ein Krimineller wäre genauso blind wie wir.«
Sie glaubte nicht, dass der Nebel den Verbrecher, der für sie jede Sekunde realer wurde, an etwas hindern würde. Im
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