Das Erwachen
schwarze Katze. Dort drüben läuft sie, sie verkriecht sich gerade in den Büschen.«
»Eine schwarze Katze? Wirklich?«
Sie liebte Katzen, vor allem schwarze. Aber als er weiterfuhr, fühlte sie sich wieder merkwürdig beklommen.
Eine schwarze Katze.
»Ja, man kann noch die Augen sehen, dort drüben, sie glühen im Scheinwerferlicht.«
Sie sah die Augen, als sie in die Richtung blickte, in die er gedeutet hatte. Sie funkelten wie feurige Stecknadelköpfe aus den Büschen zu ihnen herüber.
Megan erschauerte. Nur eine Katze, eine schwarze Katze; sie verstand nicht, woher ihre Beklommenheit rührte.
Noch vor wenigen Momenten war die Welt wunderschön gewesen. Doch jetzt …
Eine schwarze Katze. Ein Omen.
Ein Zeichen, das auf etwas Finsteres hinwies – auf etwas Böses?
7
Finn fühlte sich bestens. Der Besuch bei Martha war wie eine Rückkehr in die Normalität gewesen. Die Katze auf der Straße hatte ihn nicht weiter beunruhigt, er war ihr ausgewichen und hatte vorsichtig gebremst. Das Dilemma kannte jeder Autofahrer – einerseits zu vermeiden, ein Tier zu überfahren, andererseits keinen Unfall zu verursachen, bei dem ein Mensch zu Schaden kam. Seine Reflexe waren gut, er war der Kreatur ausgewichen, nachdem er sich vergewissert hatte, dass kein Wagen hinter ihm war.
Doch Megan war seltsam still geworden.
»Ich mag Martha sehr«, meinte er.
Sie lächelte ihm rasch im Spiegel zu. »Sie ist reizend, nicht wahr?«
»Und sehr direkt. Wenn sie will, dass man geht, sagt sie es einem klipp und klar.«
Megan lachte. »Sie weiß, dass wir heute Abend spielen.«
»Ich muss natürlich noch die Soundchecks machen, aber abgesehen davon ist alles bereit.«
»Ich glaube nicht, dass sie von Soundchecks, Verstärkern und der sonstigen Ausrüstung eine Ahnung hat.«
»Aber es bleibt uns trotzdem noch ein bisschen Zeit, bevor wir antreten müssen«, erinnerte er sie. »Was würdest du denn gern noch unternehmen?«
Sie zögerte. Irgendwie machte sie auf ihn den Eindruck, als würde sie sich am liebsten unter einen Stein verkriechen.
»Megan, das vorhin war nur eine Katze, die wir zum Glück nicht überfahren haben. Was ist los?«
»Nichts«, erwiderte sie schnell. Zu schnell.
»Meg?«
»Na gut – es war eine schwarze Katze.« – Er lachte. »Viele Katzen sind schwarz.«
»Stimmt.«
»Hey, was ist aus meinem Mädchen geworden, das monatlich an den Tierschutzverein spendet?«
»Ich bin froh, dass du die Katze nicht überfahren hast. Es ist nur so … na, du weißt schon, dieser ganze Halloweentrubel hier. Hexen und schwarze Katzen und so weiter.«
»Du bist es doch, die ständig für die Wiccas in die Bresche springt. Aber wenn ich mit einem Besen ins Zimmer käme, würdest du denken, dass ich fegen will und nicht darauf reiten, stimmt’s?«
Sie lachte und fühlte sich ein wenig erleichtert. Plötzlich richtete sie sich auf. »Lass uns Mikes Museum besichtigen.«
»Wie bitte?«
»Mein Freund Mike. Lass uns in das neue Museum gehen, das er leitet.«
Finn sah auf die Uhr. »Die Museen schließen doch alle zwischen fünf und halb sechs.«
»Was soll’s – immerhin haben wir damit ein Programm für die nächste Stunde.«
»Wie du meinst.«
Die Parkplatzsuche war ziemlich schwierig. Je näher Halloween rückte, desto mehr Leute schienen in den kleinen Ort zu strömen. Nachdem sie den Stadtpark zweimal umrundet hatten, fanden sie endlich einen freien Platz. Finn warnte sie, dass das Museum womöglich genau in dem Moment schließen würde, wenn sie davorstanden, aber Megan schritt forsch voran, und der Weg war nicht weit.
›Neu‹ hieß wohl, dass das Museum erst vor Kurzem eröffnet worden war. Das Gebäude, in dem es untergebracht war, wirkte steinalt, auch wenn es frisch gestrichen und innen bestimmt renoviert war. Neben dem Eingang wies eine Plakette darauf hin, dass es sich um ein historisches Baudenkmal handelte, das 1678 ein gewisser Stevens errichtet hatte, dessen Vater auf der Mayflower mitgereist war.
»Ziemlich beeindruckend, findest du nicht?«, meinte Megan auf dem Weg zum Schalter.
»Es tut mir leid, aber ab halb vier werden keine Eintrittskarten mehr verkauft«, erklärte ihnen eine junge Frau mit kurzem, rabenschwarzem Haar. Bestimmt gefärbt, dachte Finn. Offenbar fanden viele Wiccas rabenschwarze Haare toll. Andererseits wies sonst nichts darauf hin, dass die junge Frau eine Wicca war. Aber Finn hätte seinen letzten Dollar verwettet, dass er sie in die richtige Schublade gesteckt
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