Das Erwachen
Laden. Die Perlen rasselten laut. Morwenna stand wieder an der Kasse. Er winkte ihr zum Abschied.
Er konnte nicht schnell genug nach draußen kommen.
Erst als er schon ein ganzes Stück die Straße hinuntergelaufen war, merkte er, dass er das Buch noch in der Hand hielt.
9
Und, wie findest du ihn?«, fragte Mike Smith leicht belustigt.
»Er sieht mit Sicherheit ziemlich böse aus«, erwiderte Megan.
Sie wusste nicht recht, warum sie noch einmal in das Museum gegangen war, das ihr alter Freund leitete. Morwennas Laden hatte sie gemieden, weil sie mit ihrer Cousine nicht über ihre Probleme sprechen wollte. Deshalb war sie ein wenig herumspaziert, bis sie zufällig an dem Museum vorbeigekommen war. Das junge Mädchen, das auch am Vortag an der Kasse gesessen hatte, entdeckte sie, begrüßte sie überschwänglich und gestand ihr ihren ganz persönlichen Traum, nämlich wie sie Sängerin zu werden. Kurz darauf kam Mike zu ihnen und meinte, sie müsse sich unbedingt die neue Ausstellung ansehen, die gerade in Vorbereitung sei.
Und schon zog er sie durch die Tür mit dem Hinweis ›nur für Mitarbeiter‹ und zeigte ihr die neue Ausstellung, bei der es um Bilder des Teufels und der Hexerei im siebzehnten Jahrhundert ging.
Der Teufel war groß, um die zweieinhalb Meter, ein blutrotes Ungetüm mit gespaltener Zunge und einem langen, spitz zulaufenden Schwanz. Die Augen waren das Unheimlichste, sie schienen den Betrachter richtig zu verfolgen, und selbstverständlich wuchsen dem Geschöpf auch Hörner aus den Schläfen.
Megan zuckte zusammen, denn die Figur weckte eine unangenehme Erinnerung in ihr. Es hatte irgendetwas mit dem Albtraum zu tun, der ihren Schlaf so gewaltsam gestört hatte, das wusste sie genau, aber sie konnte sich um nichts auf der Welt an Einzelheiten erinnern.
»Mit dem möchte ich nicht in einem Raum eingesperrt werden, das kann ich dir sagen«, fügte sie hinzu und rang sich ein Grinsen ab.
Auch Mike musterte die überlebensgroße Figur mit einem schiefen Lächeln, dann fragte er: »Kannst du dir vorstellen, dass die Leute wirklich geglaubt haben, dieser Bursche könne über sie herfallen und sie zwingen, einen Pakt mit ihm zu schließen? Gott sei Dank haben wir einiges dazugelernt.«
»Stimmt, Gott sei Dank.«
»Viele der Probleme in den Kolonien hatten ihren Ursprung in Europa. Das spielte eine große Rolle. Und ob nun legal oder nicht, es wurde viel gefoltert. Auf diese Weise kamen die unglaublichsten Geständnisse zustande, das kann man nachlesen. Wer lange genug gefoltert wird, gesteht alles; unter der Folter wird man richtig geschwätzig und lässt sich einiges einfallen. Mit solchen Aussagen wurden oft genug die nächsten armen Seelen hineingezogen. Die Leute gaben zu, sich mit dem Teufel eingelassen zu haben, sie gestanden, wilde Feste gefeiert, nackt im Mondlicht getanzt und dem Teufel den Hintern geküsst zu haben und weitaus Schlimmeres. Mit unserem Wissensstand fällt es uns nicht schwer, zu erkennen, dass jeder, dem die Glieder ausgerenkt oder gebrochen oder angesengt werden, fast alles zugeben würde, nur damit der Schmerz aufhört. Aber damals glaubte man allen Ernstes, man würde den armen Opfern auf diese Art die Wahrheit entlocken.«
»Die Suggestion ist eine starke Kraft«, murmelte Megan.
Mike sah sie stirnrunzelnd an. »Alles in Ordnung?«, fragte er.
»Wie bitte? Oh, ja, natürlich«, erwiderte sie rasch. »Mir ist nur in den letzten Tagen aufgefallen, dass … Na ja, die Leute reden über Monster, und dann träumt man von ihnen. Du weißt schon, man sieht eine gruselige Kürbislaterne oder so was, und dann taucht sie im Traum auf.«
Mike lachte. »Das stimmt. Meine Träume sind meist ein bisschen anders. Einmal habe ich vor dem Zubettgehen eine Quizsendung gesehen, und dann hatte ich den tollsten Traum der Welt: Ich hatte zwei Millionen Dollar gewonnen. Der Traum war unglaublich echt. Ich war richtig geknickt, als ich mich beim Aufwachen zwingen musste mir einzugestehen, dass ich nicht über Nacht reich geworden bin.«
Auch Megan lachte. »Na ja, zu träumen, dass man reich geworden ist, kann man kaum als Albtraum bezeichnen.«
»Stimmt. Aufwachen und feststellen, dass man nicht reich ist – das ist der Albtraum. Aber egal, ich liebe meine Arbeit, und deshalb muss ich gar nicht reich sein.«
»Das ist der beste Lohn«, pflichtete Megan ihm bei.
»Wir haben also beide großes Glück.«
»Sehr großes«, murmelte Megan.
»Ich wollte demnächst eine Pause
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