Das Erwachen
sie befürchtete, sie könnte zerspringen. »Seid ihr zwei euch zufällig über den Weg gelaufen?«
»Nein«, meinte Mike.
»Ja«, fing Megan an. Finn zog die Brauen hoch. »Mehr oder weniger«, fuhr sie fort. »Ich bin am Museum vorbeigegangen, und eine der jungen Mitarbeiterinnen hat mich gesehen und angesprochen, und dann hat Mike uns gesehen. Und dann bin ich rein, um einen Blick auf die neue Ausstellung zu werfen, und dann haben wir beschlossen, noch einen Kaffee zu trinken.«
»Neue Ausstellung?«, fragte Finn.
Seine Stimme klang tief und sehr hart.
»Ich habe sie geplant, und ich finde, es ist eine meiner besten«, erklärte Mike, noch immer freundlich und höflich. Wie kam es nur, dass er nichts von der Drohung in Finns Stimme spürte? Am liebsten hätte Megan Finn unter dem Tisch einen Tritt versetzt, aber merkwürdigerweise hatte sie Angst, dass er sich dann auf Mike stürzen würde – oder auf sie.
»Die Menschen heute verstehen einfach nicht, welch schweres Verbrechen Hexerei in den Augen der Menschen im Jahr 1692 war – und was sie alles für Hexerei hielten. Man darf nicht vergessen, dass Kinder damals gehängt werden konnten, wenn sie einen Laib Brot geklaut hatten, und später sind im Wilden Westen auch Pferdediebe ohne ordentlichen Prozess am Galgen gelandet. Also …«
»Es ist bestimmt eine interessante Ausstellung«, fiel ihm Finn ins Wort.
Mike war über die Unterbrechung erstaunt, schien jedoch noch immer nicht zu merken, dass Finn beschlossen hatte, sich wie ein ungehobelter Trottel aufzuführen, während er selbst nach wie vor die Freundlichkeit in Person war.
»Ist denn schon alles fertig?«, fragte Finn betont.
»Noch in den letzten Vorbereitungen.«
»Ich kann mir gar nicht vorstellen, wie du dich davon losreißen konntest.«
»Du hast recht.« Mike lachte etwas verlegen und stand auf. »Ich sollte wohl besser wieder an die Arbeit. Ihr könnt mich natürlich jederzeit besuchen, ich würde mich freuen. Und wenn ich euch irgendwie helfen kann – irgendeinen lokalen Quatsch klären oder so –, meldet euch bei mir. Ich würde euch wirklich sehr gern helfen.«
Eine tiefe Falte erschien auf Finns Stirn, als er Megan anstarrte. »Brauchen wir Hilfe, um irgendeinen lokalen Quatsch zu klären?«
»Ich schon!«, fauchte sie und stand ebenfalls auf. Einen Moment lang hatte sie fast Angst, Mike mit einem Küsschen zu verabschieden.
Aber Finn führte sich wirklich unmöglich auf, das hatte er inzwischen sicher selbst schon gemerkt.
»Mike, wir sehen uns bestimmt bald wieder«, sagte sie mit fester Stimme.
Auch Finn erhob sich. »Einen schönen Nachmittag noch«, murmelte er und übersah geflissentlich Mikes ausgestreckte Hand.
»Euch einen weiteren erfolgreichen Abend«, sagte Mike, lächelte Megan an, um ihr zu versichern, dass es schon in Ordnung sei, und machte sich auf den Weg.
Megan sank auf ihren Stuhl und starrte ihren Mann wütend an. »Was zum Teufel sollte das denn?«
»Sag du es mir«, erwiderte er kalt.
»Wovon redest du?«
»Was hast du dir dabei gedacht, deinen alten Freund um Hilfe anzubetteln? ›Mein Mann ist ein Monster geworden. Was soll ich nur machen? Ich habe Albträume, und er kommt ständig darin vor.‹«
Im ersten Moment war sie so verdutzt, dass es ihr die Sprache verschlug. Dann beugte sie sich vor, seinen finsteren Blick missachtend. »Du führst dich wirklich auf wie der letzte Idiot, das weißt du bestimmt auch selbst.«
Er starrte sie nur an. Seine Züge waren so wutverzerrt, dass sie wieder Angst bekam, er könnte sich auf sie stürzen. Aber gleichzeitig hatte die heiße Anspannung, die von ihm ausging, auch etwas beunruhigend Verführerisches.
Anscheinend verlor sie wirklich den Verstand. Vielleicht hatte er doch recht – sie sollten alles vergessen und gehen.
Aber …
Aber was, wenn das nichts änderte? Was, wenn ihre Probleme überhaupt nichts mit der Zeit und dem Ort, ja nicht einmal etwas mit Halloween zu tun hatten?
Plötzlich lehnte sich Finn zurück und senkte den Kopf. Dann sah er sie an. »Weißt du was?«, sagte er leise mit rauer Stimme, in der Zärtlichkeit mitschwang, aber auch die Bitte um Verzeihung. »Du hast recht. Und es tut mir leid, ich habe mich wirklich wie ein eifersüchtiger Trottel aufgeführt. Das Problem war nur – als ich aufwachte, warst du weg.« Er zögerte, seine Wangenmuskeln zuckten. »Nach gestern Nacht, als du mir gesagt hast, dass du eher mich verlassen würdest als Salem …«
»Das habe ich doch
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