Das Erwachen
unmöglich benommen.
»Hey, Schätzchen, kann ich dir einen Drink spendieren?«
Sie drehte sich um. Der Mann, der sie angesprochen hatte, war mittelgroß und trug einen braunen Umhang. Er war auch braun geschminkt und trug eine Maske, die seine Stirn und Nase vergrößerte. Wenn sie ihn auf der Straße träfe, würde sie ihn bestimmt nicht erkennen, bis auf seine Stimme – sie hatte einen unangenehm hohen Quäkton.
Doch womöglich ging das auf den Alkohol zurück, den er schon intus hatte, oder aber er bemühte sich um eine gekünstelte Stimme.
»Danke«, meinte sie zurückhaltend. »Aber ich trinke nur Zitronenwasser, und ich habe mir gerade eines bestellt.«
Er rutschte näher.
»Ein Drink wird dich schon nicht umwerfen, Schätzchen. Er könnte dir sogar übel guttun.«
Sie spürte, dass Finn hinter sie getreten war. »Hey, meines Wissens meinte die Lady, sie braucht nichts. Also – nein danke.«
Er klang freundlich genug, wenn auch mit einem warnenden Unterton.
»Du glaubst wohl, du bist was Besonderes, nur weil du mit ihr auf der Bühne stehst?«
Finn beherrschte sich noch immer. »Ich glaube, die Lady ist mit mir zusammen, weil sie meine Frau ist.«
Einen Moment lang sah es so aus, als wollte sich der Typ mit Finn anlegen. Doch dann trollte er sich schulterzuckend. Finn setzte sich neben sie und grinste. »War ich okay? Selbstbewusst, aber nicht aggressiv, beharrlich, aber nicht unhöflich?«
Sie lachte und legte eine Hand auf seinen Arm.
»Du warst ziemlich gut, auch wenn ich mich gegen einen Betrunkenen schon selbst wehren kann.«
»Wahrscheinlich«, gab er zu. »Aber wolltest du dich wirklich mit diesem Arschloch prügeln?«
»Tja – du hast wohl recht, vielleicht hätte ich dabei das Kostüm ruiniert.«
»Seines oder deines?«
»Meines natürlich, meine geliehene Pracht.«
Finn lehnte sich stirnrunzelnd zurück. Megans Blick schweifte zum anderen Ende der Bar. Der Betrunkene machte nun eine andere Frau an. Es war das hübsche junge Mädchen, die in Mikes Museum am Kartenschalter arbeitete, Gayle Sawyer.
Sie war nicht kostümiert, zumindest hatte Megan nicht den Eindruck. Sie trug ein schwarzes Strickkleid, das sich eng an ihren kompakten, doch wohlgeformten Körper schmiegte. Heute Abend hatte sie auch ihre Piercings angelegt, in den Ohren und an der linken Braue einen Ring, in der Nase einen kleinen Diamanten. Sie nuckelte an einem bernsteingelben Cocktail und plauderte mit einem anderen Mädchen, einer schlanken ebenfalls schwarz gekleideten Blondine.
Der Typ hatte sich zwischen die beiden gedrängt und hatte es offensichtlich auf Gayle abgesehen.
»Runter damit, dann kauf ich dir noch einen«, ermunterte er sie.
»Der hier reicht mir«, erwiderte Gayle, offenkundig von der Störung genervt.
»Unter diesem Make-up sehe ich wirklich gut aus, und außerdem habe ich jede Menge Kohle«, erklärte der Betrunkene.
»Jetzt hör mir mal zu: Zieh Leine, mir reicht der Drink, den ich vor mir stehen habe«, erwiderte Gayle gereizt.
Der Betrunkene packte sie am Arm und zog sie vom Barhocker. Sie stolperte gegen ihn und bemühte sich um ihr Gleichgewicht. Der Kerl legte den Arm um sie und drückte sie an sich.
»Dann willst du also tanzen«, meinte er munter.
»Lass mich los!«
Unbeirrt begann er, sie zur Tanzfläche zu zerren.
»Hey!«
Finn trat zu dem Paar und legte den Arm auf die Schulter des Betrunkenen. »Freundchen, sie will ihre Ruhe.«
Der Mann sah sich um – seine aufgesetzte Nase sank ein wenig nach unten. »Hey, für wen hältst du dich eigentlich? Für den Verabredungsbeauftragten?«, knurrte er Finn an.
»Du solltest besser nach Hause«, sagte Finn.
»Die hier ist ja wohl nicht deine Frau oder dein Mädchen oder sonst jemand, der dich etwas angeht«, erwiderte der Kerl gereizt.
»Das ist eine Frage des Anstands, sonst nichts. Sie will nicht mit dir zusammen sein, also lass sie in Ruhe!«
Jetzt ließ der Betrunkene Gayle Sawyer los. Er stieß sie fast von sich, sodass sie rückwärtstaumelte. Während Finn sie auffing, holte der Kerl zu einem Schlag aus.
Finn duckte sich gerade noch rechtzeitig. Als er sich aufrichtete, holte der Typ schon wieder aus. Finn wehrte den Hieb mit dem Arm ab, aber dann verlor er die Geduld und die Beherrschung. Er verpasste dem Burschen einen Kinnhaken, der ihn wie eine gefällte Eiche zu Boden gehen ließ.
»Oh Mann, vielen Dank!«, stammelte Gayle Sawyer und umarmte Finn fest.
»Schon in Ordnung«, murmelte Finn verlegen und
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