Das Erwachen
versuchte, sich aus ihrem Griff zu lösen, denn er wollte nach seinem Angreifer sehen. Aber in dem Moment drängte sich Sam Tartan durch die Menge. Er sah nicht sehr dankbar aus. Nein, er starrte Finn an, als habe er einem Aussätzigen erlaubt, in seinem Klub aufzutreten.
»Was zum Teufel soll das?«, fragte er verdrossen.
»Ihr Gast hat die junge Frau angegriffen«, erklärte Megan mit scharfer Stimme, noch bevor Finn ein Wort über die Lippen gekommen war. Ihre Stimme klang so verächtlich, dass selbst Tartan einen Moment lang erstarrte.
»Für solche Probleme haben wir hier Personal«, stammelte er schließlich.
»Ihr Personal war offenkundig nicht verfügbar, während ich hier mehr oder weniger mitten auf der Tanzfläche vergewaltigt wurde«, erklärte Gayle Sawyer und funkelte Sam Tartan wütend an, bevor sie Finn wieder bewundernd ansah.
»Ich hoffe nur, Sie haben ihm nicht den Kiefer gebrochen«, meinte Tartan.
»Ich hoffe schon«, murrte Gayle.
Eine Person in einem viktorianischen Samtgewand und einer langen blonden Perücke bahnte sich einen Weg zu ihnen und beugte sich über den Betrunkenen.
»Hey!«, sagte Tartan.
Die Person in dem Samtkleid knurrte mit tiefer Stimme: »Ich bin Arzt. Ihm fehlt nichts weiter, er hat nicht mal einen blauen Flecken abbekommen. Er ist nur sturzbesoffen. Kennt hier jemand den Burschen?«
Ein überraschter Schrei wurde laut, und eine kleine Frau eilte zu ihnen und sank vor dem Mann auf die Knie. »Das ist Marty!«, kreischte sie und starrte alle anderen an, als wären sie eine Horde Geier. »Was habt ihr mit meinem Mann gemacht?«
»Ihrem Mann?«, wiederholte Gayle ungläubig. »Sie sind zusammen mit ihm auf dieser Veranstaltung?«
»Natürlich. Ich bin mit ihm verheiratet. Also, was haben Sie ihm getan?«
»Gute Frau, er hat sich an der Bar unmöglich aufgeführt.«
»Marty? Nie im Leben!«, protestierte die Frau aufgebracht.
»Ma’am, es stimmt, glauben Sie mir«, sagte Megan. »Tut mir leid, aber er war wirklich ausgesprochen lästig.«
Die Frau wollte es noch immer nicht glauben. Sie funkelte die Gäste an der Bar wütend an. »Bestimmt hat er nur nichts mit euch Flittchen zu tun haben wollen, und deshalb …«
»Flittchen?«, kreischte Gayle empört.
»Das ufert jetzt ein bisschen aus«, meinte Tartan, und seine Lippen zuckten. »Doktor«, sagte er, auch wenn er ein wenig schauderte, als er sich an den Mann in der Frauenverkleidung wandte, »ist der Bursche transportfähig?«
»Selbstverständlich, er ist ja nur betrunken.«
»Betrunken? Marty trinkt nie über den Durst«, protestierte seine Frau.
»Dann riechen Sie doch mal an ihm«, schlug der Arzt vor.
»Sie da!«, sagte die Frau und deutete auf Finn. »Wie konnten Sie nur! Was haben Sie getan?«
»Entschuldigung«, meinte Finn, »aber vielleicht reagiert Ihr Mann ja allergisch auf Alkohol? Er war lästig und hat meine Frau genervt, und dann hat er auch noch die junge Dame hier angemacht.«
»Junge Dame!«, schnaubte die Frau. »Von wegen!«
»Wollen Sie sich mit mir anlegen, Ma’am? Ich habe nichts dagegen«, warnte Gayle.
»Bitte!«, flehte Sam Tartan. Mittlerweile war auch Adam Spade dazugestoßen. Er blickte auf den Betrunkenen am Boden, dann auf die Frau und schließlich auf den Rest an der Bar. Offenbar wusste er, was zu tun war. »Ich kümmere mich um den hier«, meinte er. Spade schien sogar zu wissen, dass die Gestalt in dem viktorianischen Kostüm ein Arzt war. »Ich schaffe ihn weg.«
Der Arzt nickte. »Haben Sie hier ein Zimmer?«, fragte er die Ehefrau.
»Ja. Dort werden wir Marty hinschaffen, aber ich verspreche Ihnen, das wird für Sie noch ein gerichtliches Nachspiel haben. Ich habe Zeugen.«
»Ma’am, die Zeugen werden alle aussagen, dass Ihr Mann betrunken war und zudringlich geworden ist«, erklärte Megan mit erhobener Stimme.
Zu ihrer Überraschung meldete sich Finn noch einmal ganz ruhig zu Wort. »Warum rufen wir nicht gleich die Polizei, um etwaigen Unstimmigkeiten vorzubeugen?«
Sam zögerte, offenbar war die Polizei das Letzte, was er jetzt haben wollte. Aber Megan war klar, dass Finn nach wie vor erregt war und keine Lust hatte, sich mit einer Anklage wegen unangemessener Gewalt gegen einen Betrunkenen herumschlagen zu müssen.
»Hey, ich bin Polizist«, sagte jemand in einem Freddy-Kostüm. Er trat vor und nahm seine Maske ab. »Ich bin zwar momentan nicht im Dienst, aber ich habe genau gesehen, was passiert ist.« Fast schon bekümmert wandte er sich an
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