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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Shannon Drake
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berstend vor Stärke warf er sich auf die prachtvolle Gestalt, die vor ihm lag, auf sie, die ihm zustand. Er würde sie mit wilder Wut nehmen, in dem Wissen, dass alle vor ihm auf die Knie fallen und jeder noch so dekadente Wunsch, jede Gier erfüllt werden mussten. Blut pulsierte durch ihn mit brachialer Gewalt, seine Muskeln wölbten sich kraftvoll, die Welt und alles, was er wollte, gehörte ihm. Er stieg immer höher, in ihm brannte eine explosive Macht, niemand würde sich ihm verweigern, denn er war ein Gott …
    Nein!
    Er kämpfte mit sich. Irgendetwas stimmte nicht. Er war kein Gott, und es gab etwas, das nicht von Lust erfüllt war, sondern von Schmerz. Unter den Gesängen hörte er einen Schrei, einen wilden Protestschrei. Er hörte, wie jemand seinen Namen rief.
    »Finn! Nein, Finn!«
    »Hör auf! Hör auf!«
    Was zum Teufel tat er da? Er war stärker, in ihm war eine Stimme, die ihm das deutlich sagte.
    Tu nie jemandem weh …
    Tu nie jemandem weh …
    Doch die Betörung und die Verlockung, die von all den nackten Körpern und dem Blut ausgingen, waren übermächtig. Sie bildeten eine Kraft, die althergebrachte Vorstellungen von Richtig und Falsch beiseitefegte.
    »Nein!«
    »Finn!«
    Sein Name. Ihre Stimme.
    Schweißnass und befriedigt schwebte er zur Erde zurück, begleitet von Gesängen, von Streicheln, von Bewunderung, von Beifall.
    Als er aufwachte, fühlte sich Finn völlig erschöpft und elend. Von dem Traum waren nur ein paar seltsame Reste übrig geblieben, und sobald er merkte, dass er wach war, überfielen ihn wahnsinnige Kopfschmerzen.
    Er bekam die Augen kaum auf und kniff sie sofort wieder fest zu. Laut stöhnend drehte er sich um und tastete nach Megan.
    Er wollte sie in die Arme nehmen und ihr sagen, dass es ihm leidtat. Aber gestern Nacht hatte sie ihn schrecklich gekränkt, als sie Angst vor dem Nebel gehabt hatte, obwohl er bei ihr war, obwohl er sie so liebte, obwohl er sein Leben geben würde, um sie zu beschützen.
    Sie war nicht neben ihm. Wahrscheinlich war sie noch eingeschnappt. Er tastete weiter über das ganze Bett. Es fühlte sich kalt an.
    Er schlug die Augen auf. Megan war nicht da.
    »Meg?«
    Er schob die Decke weg, stellte die Beine auf den Boden, versuchte, langsam aufzustehen. Doch er musste sich gleich wieder setzen, der Kopfschmerz war einfach höllisch.
    Schließlich schaffte er es doch, aufzustehen und ins Bad zu gehen.
    »Meg?«
    Sie war nicht im Bad. Er ging zum Bett zurück, die Hände an die pochenden Schläfen gepresst.
    Endlich sah er sich um.
    Und dann wurde ihm klar, dass nicht nur Megan weg war, sondern auch all ihre Sachen … Ihre Handtasche, ihre Schminkutensilien, ihre Kleidung, ihr Gepäck. Alles war weg.
    Vor Entsetzen blieb ihm der Mund offen stehen.
    Seine Frau hatte ihn erneut verlassen.

11
    Ihr Handy klingelte. Es war Finn, das wusste Megan schon, bevor sie auf die Nummer sah. Sie ging nicht dran.
    Sie saß bei Tante Martha auf der Veranda und trank Tee. Martha hatte ihr einen besonderen Tee gemacht, der sie bestimmt beruhigen würde, das hatte sie ihr versichert.
    Ihre Tante war wunderbar.
    Sie hatte keine Fragen gestellt, wohl in der Annahme, dass Megan den Mund schon aufmachen würde, wenn sie dazu bereit war. Natürlich merkte sie, dass Megan erregt war. Mehr als nur erregt – verängstigt, bestürzt, untröstlich, und dennoch … ja, was? War sie verrückt? Sie liebte ihn so sehr, sie verstand es einfach nicht, sie konnte es nicht verstehen, es war einfach zu absurd, zu seltsam.
    Das Klingeln hörte auf, dann fing es wieder an. Jeder schrille Ton drang ihr direkt ins Herz.
    Sie hatte nicht vor, nie wieder mit ihm zu reden. Aber jetzt noch nicht.
    Tante Martha setzte sich mit einer Tasse Tee stumm neben sie.
    Megan warf einen Blick auf Martha. »Was immer du tust – bitte kein Wort darüber zu meinen Eltern!«
    »Liebes, ich kann deinen Eltern nicht viel sagen, weil ich gar nicht weiß, was ich ihnen sagen sollte. Außerdem kennst du uns doch. Wir sind zwar eine Familie, aber wir plaudern nicht jede Woche miteinander. Seit deine Eltern in Maine leben, schicken wir uns fast nur noch Karten zu Weihnachten und zu den Geburtstagen. Also keine Sorge.«
    »Danke«, murmelte Megan.
    »Ihr werdet euch sicher wieder vertragen«, meinte Martha.
    Megan blieb stumm. Martha bemerkte, dass schon fast alle Blätter abgefallen waren. »Ein weiterer Winter steht vor der Tür. Manchmal weiß ich wirklich nicht, warum ich hier lebe«, erklärte sie. »Es kann

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