Das Erwachen
herum. Hast du in der Zeitung von dem armen Mädchen gelesen, das sie neulich gefunden haben? Sie wurde vor knapp einem Monat vermisst gemeldet. Jetzt ist ihre Leiche aufgetaucht. Der Mörder hat sie ins Wasser geworfen, eine gute Möglichkeit, um Indizien zu vernichten.« Sie schnitt eine Grimasse. »Ich sehe mir beim Stricken gerne diese gerichtsmedizinischen Serien an. Manchmal kommen da sehr interessante Folgen.«
Megan zog die Brauen hoch, während sie versuchte, sich vorzustellen, wie Martha bei einer Obduktion gebannt auf den Bildschirm starrte. Sie zog den Kopf ein, um ihr Lächeln zu verbergen.
»Ich verspreche dir, dass ich vorsichtig sein werde. Macht es dir wirklich nichts aus, mir deinen Wagen zu leihen? Ich könnte ja auch einen mieten.«
»Nein, du kannst ihn wirklich gerne haben. Wenn ich eine Fahrgelegenheit brauche, habe ich ja noch den alten Pick-up in der Scheune. Aber, Schätzchen – pass auf dich auf. Morwennas Tarot-Karten sind wirklich Scheiße, wenn du mir den drastischen Ausdruck verzeihst. Lass dir von einem Haufen Möchtegernmagiern nicht dein Leben mit einem Mann verderben, der genau der Richtige für dich ist.«
»Danke, Tante Martha.«
»Das Telefon klingelt«, murmelte Martha. Sie starrte Megan an. »Also, ich werde ihm sagen, dass er im Moment lieber nicht herkommen soll. Aber wenn er mich fragt, ob es dir gut geht, sage ich ihm das, und wenn er das Gefühl hat, er würde gern mit mir reden, dann werde ich ihm zuhören, nur dass du’s weißt.«
Megan lächelte. »Natürlich. Ich liebe ihn doch, Tante Martha. Ich weiß nur nicht, was momentan los ist.«
Martha stand auf und ging ans Telefon.
Kurz darauf war sie wieder da. Megan zog fragend eine Braue hoch.
»Nein, Liebes, es war nicht Finn.«
»Ach so.«
Tante Martha kicherte. »Es war nur eine Telefonverkäuferin, die versucht hat, mir eine Buchreihe aufzuschwatzen.«
»Worum ging es denn?«
»Worum wohl? Wir haben Halloween. Um die Geschichte der Hexerei!«
Finn blieb lange auf der Straße stehen und starrte in den Laden.
Schließlich beschloss er hineinzugehen.
Sara hielt Wache an der Tür. Sie musterte Finn argwöhnisch.
»Ist heute wieder viel los?«, fragte er.
»Was denkst du wohl? Aber geh ruhig rein, du gehörst ja zur Familie.« Letzteres klang, als würde sie Morwenna nachmachen.
»Danke.« Er ging an ihr vorbei. Joseph stand hinter der Theke, Morwenna im hinteren Bereich bei dem Perlenvorhang, wo sie einer Kundin ein paar Umhänge zeigte. Jamie Gray ordnete die T-Shirts mit der Werbegrafik des Ladens in einem Regal.
Sobald Morwennas Blick auf Finn fiel, lächelte sie und winkte ihm eifrig zu. Offenbar war Megan noch nicht hier gewesen.
Finn musterte das Regal mit den Drachen, doch diesmal hütete er sich davor, einen in die Hand zu nehmen. Bald darauf trat Morwenna zu ihm, umarmte ihn und gab ihm ein Küsschen.
»Wo steckt meine Cousine?«, fragte sie.
»Ich hatte gehofft, du würdest es wissen«, antwortete er offen.
Morwenna runzelte die Stirn. Sie war eine gute Schauspielerin, das musste man ihr lassen. »Du hast sie verloren? In Salem? So groß ist diese Stadt nun wahrlich nicht«, zog sie ihn auf.
»Wenn ich es recht verstehe, ist sie hier nicht aufgekreuzt.«
Morwenna schüttelte den Kopf. »Stimmt etwas nicht?«
Er zögerte, doch schließlich meinte er: »Nein, nein, alles bestens.«
Morwenna betrachtete ihn ernst. »Finn, ein Freund von mir hat eine ausgezeichnete Buchhandlung hier in der Stadt, und er … er glaubt, dass etwas in der Luft liegt. Und dass du der Schlüssel dazu bist.«
»Etwas liegt in der Luft, und ich bin der Schlüssel dazu?«, wiederholte er.
Morwenna seufzte. »Ich höre dir an, dass du nicht bereit bist, zu glauben, was ich dir sage. Finn, hast du dich nicht manchmal etwas seltsam gefühlt? Joseph und ich haben uns über die letzten Nächte unterhalten. In dieser Gegend gibt es oft Nebel, aber nicht solche Nebel wie den, der hier in letzter Zeit aufzieht.«
»Ganz deiner Meinung, der Nebel ist sonderbar, ein seltsames Wetterphänomen.«
Morwenna musterte ihn eine Minute lang prüfend, dann sprudelte es aus ihr heraus: »Ich schwöre dir, die Wiccas sind gut, Finn. Wir vertrauen auf unsere Intuition, und wir haben das Gefühl, dass hier etwas passiert, was nicht gut ist. Eddie hat mir erzählt, dass er in einem alten Tagebuch auf eine Geschichte gestoßen ist, in der es um eine Gruppe ging, nicht um Wiccas, sondern um Satanisten, die hier vor vielen Jahren ihr
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