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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edwin Klein
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»Bevor du weitersprichst: Ist das mit deinem Becken seinerzeit passiert, als Henry dich auf die Badewanne schleuderte?«
    »Vermutlich. Ich hatte wahnsinnige Schmerzen in der Nacht und den kommenden Tagen. Wenn wir miteinander geschlafen haben, dann …«
    »Was, du hast gleich danach mit ihm geschlafen?« Entrüstet sah Carmen sie an. »Du konntest danach mit ihm schlafen?«
    War es vorhin nur eine Vermutung, dass sich Sarah schämte, nun war sich Carmen dessen absolut sicher. Und es kam ihr nicht zum ersten Mal der Verdacht, dass Sarah von Henrys Fähigkeiten im Bett mehr als angetan, vielleicht sogar abhängig war. Sie hatte das einmal bei einer anderen Bekannten erlebt, die, als sie noch Assistenzärzte waren, richtig zittrig und fiebrig wurde und nicht mehr zusammenhängend reden konnte, wenn sie an ihren Mann dachte. Darauf angesprochen gab sie zu, sie sei süchtig nach Sex und müsse immerzu daran denken. Aber nur an ihren Mann. Und vorher hätte sie dieses Gefühl noch nie erlebt.
    »In Deutschland bin ich dann zu einem Arzt gegangen. Der hat mich geröntgt und nichts festgestellt.«
    »Das muss aber in Saarburg gewesen sein.«
    Sarahs Erzählung wirkte nach. Obwohl sie sich bemühten, kam keine rechte Stimmung auf, die Unterhaltung verlief zäh. Jede der Frauen hatte sich hinter den eigenen Schutzwall zurückgezogen, um ungeniert mit den intimen Gedanken allein zu sein. Nur zögernd beantwortete Sarah Carmens Frage, ob sie bei einem Anwalt gewesen sei und fügte hinzu, dass sie sich über eine Scheidung erkundigt habe. Der Anwalt würde alles in die Wege leiten.
    Wenig später stand Carmen auf. Sie musste einfach gehen, denn heute würden sie das Bedrückende nicht mehr ablegen können. Und für die Zukunft befürchtete sie, dass ihre schlimme Vergangenheit zu weiteren, bedrückenden Begegnungen führen könnte. Begegnungen, in denen sie ihre seelischen Wunden leckten und sich, gemeinsam auf die Männer schimpfend, gegenseitig aufschaukeln könnten.
    Sarah geleitete sie zu der Tür.
    »Du hast deinen Mann wegen der Vergewaltigung angezeigt?«
    »Es hat doch keinen Sinn.«
    Carmen nickte. »Ich glaube, wenn ich ehrlich bin, ich hätte es auch nicht getan.«
    Gemeinsam gingen die beiden Frauen zu dem schmiedeeisernen Tor. Henrys Auto fuhr vor, das Tor ging auf, langsam rollte er an ihnen vorbei und betrachtete Carmen.
    »Sarah, wenn es um so schwerwiegende Eheprobleme geht, dann wächst in mir ein Groll. Auch in deinem Fall, weil bei mir wieder alles hochkommt. Entschuldige, aber ich dachte, ich hätte längst alles überstanden. Nichts habe ich überstanden. Die Wunde ist zwar vernarbt, bricht aber immer wieder auf.«
    Sie umarmte Sarah und schritt durch das Tor. Nach wenigen Metern drehte sie sich noch einmal um und fügte hinzu: »Sarah, denke bitte nicht, dass ich dich beeinflussen möchte. Du allein entscheidest, du allein bist verantwortlich für dich. Niemand nimmt dir diese Verpflichtung ab. Höre also nicht auf mich, wenn ich dir irgendwelche Ratschläge gebe. Sie stammen nur von einer enttäuschten und frustrierten Frau, die den Fehler macht, alle Männer über einen Kamm zu scheren.«
    Du magst zwar enttäuscht und frustriert sein, überlegte Sarah, als sie auf dem Weg zum Haus war, aber allein durch deine Anwesenheit und deine fordernde Art, mich mit meiner Ehe zu beschäftigen, hilfst du mir enorm. Du hast einen verdammt wachen Verstand und du kannst zuhören. Du machst das Fenster sauber, damit ich endlich hindurchschauen kann.
    Gestern noch hatte Henry sie über Carmen ausgefragt, wollte alles wissen, auch ihre Adresse. Heute kam er nach Hause und brachte Blumen mit. Sarah dachte zuerst, er hätte an diesem Abend noch einen Termin und wollte sie der Gastgeberin schenken. Aber die Blumen waren für sie bestimmt.
    Und Henry gab sich fürsorglich. Sarah war irritiert und dachte zu Beginn, er bemühe sich deshalb um sie, damit sie nicht mehr auf die Idee kam, von einer Brücke zu springen. Ein Selbstmord, und dann auch noch von der eigenen Frau, war schlecht fürs Geschäft und könnte Umsatz kosten. Auf die Idee, dass er sich vielleicht mitschuldig fühlen könnte, kam sie nicht. Henry fühlte sich nie mitschuldig.
    Beim Abendessen, der Tisch war zu Henrys Zufriedenheit gedeckt, nur das Glas stand auf der falschen Seite, aber er verlor darüber kein Wort, ergriff er ihre Hand und fragte: »Wie geht es dir, mein Schatz?« »Gut, wenn man die Umstände beachtet«, antwortete sie kühl und zog ihre

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