Das Erwachen
Sarah nicht schnell genug antwortete, schlug er sie mit dem Handrücken der freien Hand, mit der er das Schreiben hielt. Aber Henry ließ Sarah nicht los, ihr Kopf wurde zur Seite geschleudert, sie sah Sternchen. Und nun schmerzte die andere Wange auch.
»Was einmal mir gehört, gehört immer mir«, stieß er zischend zwischen den Zähnen hervor. Partikel seines Speichels verteilten sich auf ihrem Gesicht. Ein Blick in Henrys Augen signalisierte Sarah, dass er hochgradig erregt war. Und sie verspürte Angst. Die gleiche Angst wie in Südafrika. Die Angst war so groß, dass sie die gerade aufkeimende Wut unterdrückte.
Henry schleifte sie zu einem Sessel und ließ sie fallen wie einen Sack Mehl. Erneut baute er sich vor ihr auf, als hätte er es nötig, ihr körperlich zu imponieren.
»Die Scheidung willst du? Die kannst du haben. Und zwar nach katholischem Recht. Wir haben katholisch geheiratet, vergiss das bitte nicht. Und nur der Tod kann uns scheiden. Hast du das kapiert?«
Sarah nickte eingeschüchtert und schielte aus den Augenwinkeln zur Küchentür. Von dort hätte sie in den Vorratsraum, dann in den ehemaligen, in den Hang gebauten Weinkeller flüchten können. Aber dann säße sie in der Falle. Also musste sie aus dem Vorratsraum ins Freie laufen und um Hilfe rufen.
»Gib dir keine Mühe, es hat keinen Sinn«, schien Henry ihre Gedanken zu durchschauen und grinste hart. Dabei schaute er sie an, als müsse er sie taxieren. »Warum willst du dich scheiden lassen? Habe ich dir nicht alles gegeben, was sich eine Frau nur wünscht? Geht es dir nicht ausgezeichnet? Die Saarburger Schlampen gäben alles, um mit dir zu tauschen. Denk doch nur an Gille, oder Heike, von der hohlen Susi ganz zu schweigen. Auf der Stelle kommen sie zu mir gelaufen, wenn ich nur winke.«
Henry war immer schon sehr von sich überzeugt gewesen. Aber leider stimmte das, was er sagte. Er brauchte nur mit den Fingern zu schnippen, und die Frauen kamen tatsächlich angelaufen. Im Spaß hatte Henry ihr dies mehrfach demonstriert. Damit sie sähe, wie gefragt er sei und dass sie sich anstrengen müsse, hatte er dazu gemeint. Schließlich sei die Konkurrenz groß und warte nur darauf, zuzuschlagen.
»Ich glaube nicht, dass Heike, Susi und Gille vergewaltigt und geschlagen werden wollen. Auch nicht von dir«, konnte Sarah sich nicht zurückhalten und wurde augenblicklich bestraft. Erneut schlug Henry zu, mitten auf ihren Mund. Sarah registrierte den süßlichen Geschmack des Blutes.
»Alles habe ich dir gegeben, und das ist nun der Dank dafür? Du willst dich scheiden lassen. Aber eines sage ich dir, mein Schatz«, das Wort Schatz klang wie ein Hammerschlag, wie eine letzte Warnung. »Ich habe dich gekauft. Du gehörst mir. Auf ewig mir. Ich habe dich gekauft. Und was ein von Rönstedt einmal besitzt, dass gibt er nicht mehr her. Hast du das verstanden?«
Henry drückte ihr das Blatt in die Hand und ging zwei Schritte zur Seite in Richtung Küchentür, ihrem einzigen möglichen Fluchtweg. Mit brennenden Augen las Sarah den Brief des Anwaltes Sven Dornwald. Er war an sie adressiert, aber Henry hatte bisher immer das Postgeheimnis ignoriert.
»Meine Post darfst du auch lesen«, hatte er dazu gesagt, wenn sie ihn darauf ansprach, und vergessen hinzuzufügen, dass die wichtige Post in sein Schließfach gelegt wurde.
Dornwald wollte endlich erfahren, ob er das Schreiben an ihren Mann verschicken solle und ob sie mit dem in seiner Kanzlei besprochenen Inhalt einverstanden sei. Und er teilte ihr mit, dass der Notar ihr in den nächsten Tagen eine Kopie des Testamentes zukommen lassen würde.
Sarah dachte nach einer Weile, Henry hätte sich etwas beruhigt und sie könne vielleicht Gehör finden. Ganz vorsichtig formulierte sie ihre Worte, um ihn nicht zu reizen.
»Henry, mach dir nichts vor. Du bist auch nicht glücklich. Oder etwa doch?«
Er antwortete nicht und presste die Lippen aufeinander, als wolle er nie mehr etwas sagen.
»Seit fast zwei Jahren sind wir beide unglücklich. Wir haben nichts Gemeinsames. Du hast dein Geschäft, den SUV und gehst ansonsten deiner Wege. Vielleicht einen Abend in der Woche verbringen wir zusammen. Das ist mir zu wenig. Durch eine Trennung erhältst du eine neue Chance, die richtige Frau zu finden. Du hast Recht wenn du sagst, es gäbe viele, die an deiner Seite leben wollten. Gille und Susi besonders.«
Sarah fiel das Sprechen schwer. Inzwischen war die Wange angeschwollen und ihr Mund ebenfalls. Die
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