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Das Erwachen

Das Erwachen

Titel: Das Erwachen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Horwood
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beliebt!«
    Träge gab er weitere Zutaten in den Mörser, zerrieb sie und füllte das Pulver in einen Umschlag, den er beschriftete und nummerierte, damit er später wusste, um welche Rezeptur es sich handelte. Dieses einfache Experimentieren, Vorbereiten und Katalogisieren hatte seit jeher eine beruhigende Wirkung auf Stort.
    Diesmal freilich wurde er in seinem Tun von der hellen, festen Stimme der barmherzigen Schwester Cluckett gestört, die auf einmal in der Tür stand.
    »Wie ich sehe, Sir, sind Sie aufgestanden und munter! Zu meiner Enttäuschung muss ich allerdings feststellen, dass Sie irgendeiner belanglosen Beschäftigung nachgehen, statt in diesem Drunter und Drüber Ordnung zu schaffen! Lassen Sie uns auf der Stelle damit anfangen!«
    Sie trat an einen unaufgeräumten Tisch und fegte alles darauf mit der Hand in einen Abfalleimer.
    Storts Herz schlug schneller.
    Schweiß trat ihm auf die Stirn.
    »Das dürfen Sie nicht!«, protestierte er so energisch wie möglich.
    Sie stutzte und runzelte unheilvoll die Stirn.
    »Bei mir gilt ein Grundsatz«, sagte sie. »Wenn etwas drei Wochen lang nicht angerührt wurde, schafft man es am besten aus dem Haus. Und diese Sachen sehen mir so aus, als wären sie seit Jahren nicht mehr angerührt worden. Sie müssen hinaus!«
    Stort griff zu einem Bleistift und schrieb die Zahl dreiundsechzig auf den Umschlag, den er soeben befüllt hatte.
    »Aber so arbeite ich!«, rief er. »Wer kann denn wissen, was noch gebraucht wird?«
    »Dreiundsechzig«, sagte sie, »ist das eine wichtige Zahl? Wichtiger als zweiundsechzig oder vierundsechzig?«
    Er sah sie verständnislos an. »Nun, natürlich ist sie wichtig, Madam ...«
    »Cluckett, nennen Sie mich Cluckett.«
    Wieder sah er sie an, nun vollends konfus. Was hatte er noch sagen wollen? Worauf hatte er hinausgewollt? Warum brachte sie ihn so durcheinander? Er fuchtelte mit dem Umschlag.
    »Dreiundsechzig kann eine wichtige Zahl sein, auf jeden Fall ist es eine interessante, aber das ist nicht das ...«
    »Wenn sie wichtig ist, Sir, wäre es da nicht angebracht, behutsamer mit dem Umschlag umzugehen?«
    »Das ist nicht das, was ich sagen will, barmherzige Schwester ...«
    »Cluckett ist doch kein Name, der schwer zu merken ist, sollte man meinen, zumal für einen Gelehrten wie Sie.«
    »Nun, ob die Zahl dreiundsechzig wichtig ist oder nicht, hängt davon ab, was darin ist, nämlich eine Rezeptur für ein Hundeabschreckungsmittel. Ich wollte sagen, dass es möglicherweise ein großer Verlust für die Wissenschaft und die Sterblichen wäre, sollte es ›fortgeräumt‹ werden. Ich befehle Ihnen, nichts anzurühren.«
    »Ich mag Hunde nicht«, sagte Cluckett.
    »Ich auch nicht«, erwiderte Stort. »Darum ist der Umschlag ja so wichtig, geradezu lebenswichtig. Ich muss ihn wiederfinden können.«
    »Nun, Sir, Sie können mich nicht davon abhalten, sauber zu machen. Das liegt in meiner Natur. Sie haben doch nicht etwa die Absicht, mich davon abzuhalten?«
    Sie sah ihn kühn und herausfordernd an, und da begriff Stort, dass der Augenblick der Wahrheit gekommen war. Wenn er jetzt nachgab, war alles verloren. Sein Haus würde aufgeräumt werden, bis nichts mehr übrig blieb, die fruchtbare Arbeit vieler Jahre würde im Kehricht verschwinden und er, wie Barklice befürchtete, gleich mit.
    Die Schlüssel an ihrem Gürtel klirrten warnend, als sie sich in Marsch setzte wie eine Armee vor der Schlacht.
    »Madam, ich ... ich ...«
    Sie kam immer näher.
    »Ja, Mister Stort, haben Sie etwas zu sagen?«
    »Ich ... ja ... nein ...«
    Seine Brust schnürte sich zusammen, sein Atem ging schwer, und seine Kehle war so trocken vor Angst, dass er keinen Ton herausbrachte. Schließlich befiel ihn Schwindel, sodass er sich am nächsten Laboratoriumstisch festhalten und nach Luft schnappen musste.
    Dies hatte eine gedeihliche Wirkung auf Cluckett. Sie lief eilends zu einem Spülstein, füllte ein leeres Glasgefäß mit Wasser und hielt es ihm hin. Er nahm es dankbar und trank sofort, denn sein Widerstand gegen sie drohte zu erlahmen. Das Wasser schmeckte eigenartig, aber nicht unangenehm.
    Doch urplötzlich setzte es seine Kehle in Flammen. Wie ein Blitzschlag traf es seine Magenschleimhäute. Dann brannte auch sein Geist. Im nächsten Moment war ihm, als stünden seine Haare zu Berge.
    Sie sah ihn erschrocken an, während er noch nach Worten rang und seine Augen rot aufloderten.
    Immer noch sprachlos starrte er auf den Destillierkolben in seiner Hand und

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