Das Erwachen
Gelehrsamkeit.«
»Vermutlich.« Slew lachte frostig.
Gleichviel, er war jetzt hier, und irgendwo in der Nähe hatte Stort wahrscheinlich den Stein versteckt.
»Aus Respekt möchte ich lieber nicht dort sitzen, wo Master Stort zu arbeiten pflegt.«
»Für gewöhnlich steht er«, erwiderte Thwart, »aber das ist sein Pult. Er sieht es nicht gern, wenn man etwas durcheinanderbringt.«
Er deutete auf ein unaufgeräumtes Pult. Slew erschien es wie eine Fundgrube für Hinweise auf den möglichen Verbleib des Steins.
»Ich danke Ihnen«, sagte Slew. »Ich werde mich hüten zu sitzen, wo der große Gelehrte steht!«
Thwart lächelte beifällig. »Dann will ich Ihnen jetzt zeigen, wie wir die Dinge hier handhaben.«
23
AUF DEM HÜGEL
D rei Tage nach Judiths morgendlichem Erkundungsausflug in den Garten, den gegenüber den anderen zu erwähnen Jack nicht für nötig befunden hatte, machten sich er, Katherine und Arthur mit ihr auf den Weg zum White Horse Hill.
Judith war erst drei Wochen auf der Welt, doch nach Arthurs Berechnungen, die sich auf seine regelmäßigen Messungen stützten, war sie körperlich und geistig bereits sechs Jahre alt. Bis zu diesem ersten Ausflug in die Öffentlichkeit war sie aufs Geratewohl angezogen worden, und alle Kleidungsstücke hatte man in aller Eile besorgt, da es nahezu unmöglich war, mit ihrem Wachstum Schritt zu halten. Für den Ausflug hatte Katherine ihr neue Turnschuhe, ein T-Shirt und eine Hose gekauft. Außerdem einen Kinderrucksack, in den sie etwas Wegzehrung packte.
Für Katherine hatte der Ausflug eine besondere Bedeutung.
Als sie nach Woolstone gezogen war, hatte ihre Mutter Clare, wenn auch mit Mühe, noch gehen können. Arthur hatte sie beide durch den Garten geführt, durch das Henge und auf den Weg, der sich über die Wiesen und dann den Hügel hinaufschlängelte. Damals hatte sie noch nichts von Hyddenwelt gewusst und folglich auch nicht ahnen können, dass der Weg den alten Pilgerpfad kreuzte, auf dem sie und Jack viele Jahre später von ihrem Abenteuer bei den Hydden nach Woolstone zurückkehren sollten. Es war ein glücklicher Tag gewesen, der jedoch nie eine Wiederholung erfuhr, da Clare danach bettlägerig geworden war.
Die Erinnerung kam wieder, als sie denselben Weg mit Judith ging. Von Anfang an geschahen seltsame Dinge. Im Henge blieb Judith reglos stehen, blickte sich argwöhnisch und neugierig um, sog schnuppernd die Luft ein und spähte zwischen die Bäume.
»Ist da was?«, fragte Katherine.
»Niemand«, lautete Judiths sonderbare Antwort, der sie aber weiter keine Bedeutung beimaßen.
Katherine zeigte ihr, wo sie auf die Welt gekommen war, und Jack fasste sie bei den Armen, wirbelte sie ihm Kreis herum und rief: »Schau in den Himmel, guck mal die Bäume, sie sind ein Karussell.«
»Was ist ein Karussell?«, fragte sie später, nachdem sie eine Weile darüber nachgedacht hatte.
»Das ist wie ein großer Kreisel, nur golden und mit Pferden und Musik«, antwortete Arthur.
Judith hatte sich so rasch entwickelt, dass ihnen erst allmählich klargeworden war, wie dringend sie nicht nur mit physischer, sondern auch mit geistiger Nahrung versorgt werden musste. Ihren Magen zu füllen war leicht, das andere schon schwieriger. Aber die Foales und Katherine besaßen noch ihre Kinderbücher, sodass an Lesestoff kein Mangel herrschte. Und an Gesprächsthemen und Ideen hatte es in ihrem Haus ohnehin nie gefehlt.
Spielzeug stellte ein weiteres Problem dar, und Jack fiel die Aufgabe zu, es durch Besuche von Fachgeschäften in Wantage und Oxford zu lösen.
Judith lernte sehr schnell, las aber noch stockend. Sie saugte alles um sich herum auf wie ein Schwamm, eins nach dem anderen, sodass ihre Eltern aus dem Staunen über ihren zunehmenden Wortschatz und ihren Wissenszuwachs nicht herauskamen.
»Zumindest im Sprechen hält sie mit«, sagte Arthur.
»Und sie kann ›angelsächsisch‹ sagen«, ergänzte Margaret. »Ich habe es ihr beigebracht.«
»Möge es ihr von großem Nutzen sein, meine Liebe«, knurrte Arthur.
Sie besaßen keinen funktionierenden Fernseher. Aber sie hatten Internet, und alle bis auf Margaret setzten sich mit Judith vor den Computer und zeigten ihr Dinge am Bildschirm.
Margaret unterwies sie mehr in den praktischen Dingen des Lebens.
»Du kannst mir helfen, Salatpflanzen zu setzen, Judith ... Die heißen Scones, mein Liebes, willst du welche backen ...? Komm und hilf mir, ein paar Narzissen zu pflücken. Arthur hat gern welche auf
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