Das Eulenhaus
wenn dir das komisch erscheint.«
»Unsinn, John, du liebst mich.«
»Tut mir leid, Veronica.«
»Du liebst mich nicht?«, fragte sie ungläubig.
»In solchen Dingen sollte man Klarheit haben. Du bist eine außerordentlich schöne Frau, Veronica, aber ich liebe dich nicht.«
Sie saß reglos wie eine Wachsfigur da. Ihr Schweigen machte ihn ein bisschen unruhig. Aber was sie schließlich sagte, war so giftgeladen, dass er zurückzuckte. »Wer ist sie?«
»Sie? Wen meinst du denn?«
»Die Frau am Kamin gestern Abend.«
Henrietta!, schoss es ihm durch den Kopf. Wie zum Teufel kam Veronica auf Henrietta?
»Wen meinst du denn? Midge Hardcastle?«, fragte er.
»Midge? Das ist doch dieser dunkle Trampel, nicht? Nein, die meine ich nicht. Und deine Frau meine ich auch nicht. Ich rede von dieser überheblichen Hexe, die am Kamin gelehnt hat! Ihretwegen weist du mich doch ab! Ach, tu doch nicht so moralisch – von wegen Frau und Kinder. Es geht doch um diese andere Frau da.«
Sie stand auf und ging direkt auf ihn zu.
»Begreifst du denn gar nicht, John, dass ich seit achtzehn Monaten, seit ich wieder nach England gekommen bin, nur an dich denke? Warum, glaubst du wohl, habe ich dieses dämliche Cottage hier gemietet? Weil ich herausgekriegt habe, dass du oft übers Wochenende zu den Angkatells kommst, deshalb!«
»Das war also alles geplant gestern Abend, Veronica?«
»Du gehörst mir, John. Das hast du immer!«
»Ich gehöre niemandem, Veronica. Hat dich das Leben noch immer nicht gelehrt, dass man andere Menschen nicht mit Leib und Seele besitzen kann? Ich habe dich als junger Mann geliebt, ja. Ich wollte, dass du mein Leben teilst. Aber das hast du nicht gewollt!«
»Mein Leben und meine Karriere waren auch entschieden bedeutender als deine. Arzt sein kann jeder!«
Er brauste jetzt leicht auf. »Hältst du dich eigentlich wirklich für so toll, wie du tust?«
»Du meinst, ich bin noch nicht ganz oben an der Spitze? Da komme ich schon noch hin! Da komme ich noch hin!«
John Christow sah sie an. Er empfand plötzlich nur noch nüchterne Neugier. »Davon bin ich, ehrlich gesagt, nicht überzeugt. Du hast nämlich ein Defizit, Veronica. Du bist grandios im Raffen und An-dich-Reißen – aber dir fehlt das große Herz. Ja, ich glaube, das ist es.«
Veronica stand auf. »Du hast mich vor fünfzehn Jahren zurückgestoßen«, sagte sie leise, »und du hast mich heute wieder zurückgestoßen. Das wird dir noch leidtun, das garantiere ich dir.«
John stand auf und ging zur Tür. »Veronica, wenn ich dich verletzt habe, tut mir das leid. Du bist wirklich sehr schön, meine Liebe, und ich habe dich einmal sehr geliebt. Können wir es nicht einfach dabei belassen?«
»Auf Wiedersehen, John, aber wir belassen gar nichts dabei. Das wirst du schon noch merken. Ich glaube – ich glaube ich hasse dich mehr, als ich mir hätte vorstellen können, jemanden zu hassen.«
Er zuckte die Schultern. »Tut mir leid. Leb wohl.«
Langsam ging er durch das Wäldchen zurück. Am Schwimmbecken sah er eine Bank und setzte sich hin. Nichts von dem, was er Veronica gesagt hatte, bereute er. Veronica war ein übles Biest, stellte er nüchtern fest. Sie war immer ein übles Biest gewesen, und sie beizeiten abzuschaffen, war das Beste, was er je getan hatte. Was aus ihm geworden wäre, wenn er es nicht getan hätte, wusste nur der liebe Gott!
Und plötzlich überkam ihn ein großes Gefühl – ein neues Leben, unbehelligt und unbelastet von der Vergangenheit, fing jetzt an. Das Leben mit ihm musste ja furchtbar schwer gewesen sein während der letzten ein, zwei Jahre, dachte er. Die arme Gerda – so selbstlos, so ständig darauf bedacht, ihm zu gefallen. In Zukunft würde er freundlicher zu ihr sein.
Vielleicht würde er jetzt auch aufhören, Henrietta zu tyrannisieren. Nicht dass so etwas mit Henrietta wirklich ging – dafür war sie nicht geschaffen. Über ihr konnte sich ein Sturm entladen, sie stand nur nachdenklich da und guckte einen aus großer Ferne an.
»Ich gehe jetzt zu Henrietta und erzähle ihr alles«, beschloss er.
Dann sah er hoch, weil er plötzlich irgendein unerwartetes Geräusch gehört hatte. Etwas weiter oben im Wald gab es hin und wieder Schüsse, es gab auch die normalen leisen Geräusche, die Gehölz und Vögel und das melancholische Rascheln fallender Blätter verursachten. Aber das hier war etwas anderes gewesen – etwas wie ein ganz schwaches, fast geschäftsmäßiges Klicken.
Die jähe Ahnung von
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