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Das Eulenhaus

Das Eulenhaus

Titel: Das Eulenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nicht so klug.«
    Sie machte eine Pause und setzte barsch dazu: »Ich werde nie wieder nach ›Ainswick‹ fahren.«
    Midge sagte nachdenklich: »Da wäre ich nicht sicher.«

14
     
    A m Montagmorgen schreckte Midge fast aus dem Schlaf hoch.
    Einen Augenblick lang lag sie grübelnd da und starrte verwirrt auf die Tür. Irgendwie erwartete sie, dass Lady Angkatell gleich käme. Was hatte Lucy noch gesagt, als sie an jenem ersten Morgen hereingeschwebt war?
    Ein schwieriges Wochenende? Sie war besorgt gewesen – hatte gedacht, dass etwas Unangenehmes passieren könne.
    Ja genau, und es war etwas Unangenehmes passiert – etwas, dass Midge jetzt auf Herz und Gemüt drückte wie eine ganz dicke schwarze Wolke. Etwas, über das sie lieber nicht nachdenken wollte – an das sie sich nicht erinnern mochte. Etwas, das mit Sicherheit Angst machte. Etwas, das mit Edward zu tun hatte.
    Die Erinnerung kam wie ein Dammbruch. Ein einziges hässliches, bleiernes Wort – Mord!
    Nein, nein, dachte Midge, das kann nicht stimmen. Das habe ich geträumt. John Christow ermordet, erschossen – der Dinge nach neben dem Schwimmbecken. Blut und blaues Wasser – das sieht doch aus wie der Umschlag von einem Kriminalroman. Irrwitzig, unwirklich. Sachen, die einem selbst nie passieren. Wenn wir jetzt in »Ainswick« wären. In »Ainswick« könnte so etwas nie passieren.
    Das schwarze Gewicht zog sich allmählich von ihrer Stirn zurück, ließ sich in der Magenkuhle nieder und verschaffte ihr ein leichtes Übelkeitsgefühl.
    Es war kein Traum gewesen. Es war wirklich passiert – ein Ereignis wie aus News of the World – und sie selbst und Lucy und Henry und Henrietta mittendrin.
    Und das war ungerecht – ganz bestimmt –, denn was hatten sie damit zu tun, wenn Gerda ihren Mann erschoss?
    Midge wälzte sich unruhig hin und her.
    Die stille, dumme und irgendwie klägliche Gerda – das ging doch nicht zusammen, Gerda und Melodramatik – oder Gewalt.
    Gerda konnte doch überhaupt niemanden erschießen.
    Die innere Unruhe wuchs wieder. Nein, nein, so etwas darf man nicht denken. Denn wer sonst hätte John erschießen sollen? Außerdem hatte Gerda doch mit dem Revolver in der Hand genau bei ihm gestanden. Mit dem Revolver, den sie aus Sir Henrys Zimmer geholt hatte.
    Gerda hatte aber doch erzählt, dass sie den toten John entdeckt und den Revolver aufgehoben hatte. Schon, nur – was hätte sie denn sonst erzählen sollen? Sie musste doch irgendetwas sagen, das arme Ding.
    Wirklich fein von Henrietta, sich vor Gerda zu stellen – zu behaupten, Gerdas Version sei sehr gut möglich. Henrietta hatte die unmöglichen Alternativen gar nicht bedacht.
    Aber Henrietta war gestern Abend sehr komisch gewesen.
    Nun, das lag natürlich am Schock, weil John Christow ja tot war.
    Die arme Henrietta – sie hatte John ja so schrecklich gern gehabt.
    Bestimmt kam sie mit der Zeit darüber weg – man kommt über alles weg. Dann würde sie Edward heiraten und nach »Ainswick« ziehen – und Edward würde endlich glücklich sein.
    Henrietta hatte Edward doch immer von Herzen geliebt. Da war nur dieser John Christow mit seinem aggressiven, herrischen Charakter dazwischengekommen. Seinetwegen hatte Edward so – so farblos gewirkt.
    Als Midge an diesem Morgen zum Frühstück nach unten kam, stellte sie verblüfft fest, dass Edwards Persönlichkeit sich bereits durchzusetzen begann. Ohne John Christows beherrschende Gegenwart wirkte er selbstsicherer, nicht mehr so zaudernd und zagend.
    Er unterhielt sich freundlich mit dem miesepetrigen und maulfaulen David. »Du kannst doch öfter mal nach ›Ainswick‹ kommen, David. Ich fände es schön, wenn du dich da zuhause fühlen und es richtig kennen lernen würdest.«
    David langte nach der Marmelade und erwiderte kühl: »Derartige große Anwesen sind eine Farce. Die gehören aufgeteilt.«
    »Solange ich lebe, wird das hoffentlich nicht passieren«, lächelte Edward zurück. »Meine Pächter sind jedenfalls alle rundum zufrieden.«
    »Das sollten sie lieber nicht. Zufrieden soll überhaupt kein Mensch sein.«
    »Wenn Affen mit ihrem Schwanz zufrieden wären…«, murmelte Lady Angkatell, die vor der Anrichte stand und zerstreut eine Schüssel mit gebratenen Nieren anstarrte. »Oder wie ging das Gedicht noch? Lernt man das nicht als Kind? Also jedenfalls, David, ich muss mich unbedingt mal mit dir unterhalten und all die neumodischen Ideen kennen lernen. Soweit ich weiß, soll man zwar alle Welt hassen, aber

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