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Das Eulenhaus

Das Eulenhaus

Titel: Das Eulenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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sie.
    Sie haben von nichts eine Ahnung!, haderte sie.
    Der immer sensible Edward sah sie verwundert an und fragte sanft: »Habe ich dich verletzt? Womit denn?«
    Lucy kam hereingeschwebt und war wieder mitten in einem ihrer Selbstgespräche, »– verstehst du, denn man weiß doch gar nicht, ob ihr das ›White Hart‹ wirklich lieber ist als wir oder nicht?«
    Midge starrte erst sie, dann Edward an.
    »Du musst gar nicht Edward angucken«, sagte Lady Angkatell. »Edward weiß so etwas sowieso nicht. Du, Midge, bist doch immer die Praktische.«
    »Ich weiß überhaupt nicht, wovon du redest, Lucy.«
    Lucy sah sie verdutzt an. »Der Gerichtstermin, Schatz. Da muss Gerda doch wiederkommen. Soll sie dann hier wohnen? Oder ins ›White Hart‹ ziehen? Hier sind natürlich lauter schmerzliche Erinnerungen – im ›White Hart‹ allerdings werden die Leute sie angaffen, da sind auch jede Menge Reporter. Mittwoch, ja? War das elf oder halb zwölf?« Ein Lächeln huschte über Lady Angkatells Gesicht. »Hach, ich war noch nie bei einer Untersuchungsgerichtsverhandlung! Ich denke an mein kleines Graues – dazu ein Hut, selbstverständlich, wie zur Kirche – aber keine Handschuhe. Ich habe nämlich«, sie ging quer durchs Zimmer zum Telefon, nahm den Hörer ab und sah ihn ganz ernst an, »glaube ich, gar keine Handschuhe mehr – außer Gartenhandschuhe! Und die langen für abends, natürlich, die sind noch aus der Zeit als Henry Gouverneur war. Ich finde Handschuhe ja eher albern, du auch?«
    »Man braucht sie im Grunde nur zur Vermeidung von Fingerabdrücken bei Verbrechen«, warf Edward lächelnd ein.
    »Also, das ist doch hochinteressant, dass du das sagst, Edward – hochinteressant. Was will ich eigentlich mit dem Ding hier?« Lady Angkatell sah leicht angewidert auf den Hörer.
    »Wolltest du jemanden anrufen?«
    »Ich glaube nicht.« Lady Angkatell schüttelte zerstreut den Kopf und legte den Hörer sehr behutsam auf die Gabel zurück. Dann sah sie Edward und Midge an. »Edward, ich finde nicht, dass du Midge aufregen sollst. Midge nimmt sich plötzliche Tode mehr zu Herzen als unsereins.«
    »Meine liebe Lucy«, protestierte Edward, »ich hatte mir nur über diese Arbeitsstelle von Midge Gedanken gemacht. Die kommt mir völlig falsch vor.«
    »Edward findet, ich brauche einen sympathischen, verständnisvollen Arbeitgeber, der mich schätzt«, erklärte Midge trocken.
    »Der liebe Edward«, kommentierte Lucy anerkennend, lächelte Midge an und ging.
    »Im Ernst, Midge«, sagte Edward, »ich mache mir Gedanken.«
    Sie sagte sofort: »Die verdammte Frau zahlt mir vier Pfund die Woche. Und das ist alles, was zählt.« Dann sauste sie an ihm vorbei und hinaus in den Garten.
    Sir Henry saß auf seinem gewohnten Platz auf dem Mäuerchen, aber Midge ging in die andere Richtung, hinauf zu dem Weg mit den Blumenbeeten.
    Ihre Verwandten waren ja wirklich charmant, aber Charme konnte sie heute Morgen nicht gebrauchen.
    Auf einer Bank oben auf dem Weg saß David Angkatell. Bei David konnte keine Rede von zu viel Charme sein, deshalb steuerte Midge auf ihn zu, setzte sich zu ihm und bemerkte mit maliziösem Vergnügen seine bestürzte Miene.
    Es ist wirklich außerordentlich schwierig, dachte David, diesen Leuten aus dem Weg zu gehen.
    Aus seinem Zimmer hatte ihn die Invasion der Hausmädchen mit ihren Mopps und Staubtüchern vertrieben.
    Die Bibliothek und die Encyclopedia Britannica waren nicht das Sanktuarium, das er optimistischerweise erwartet hatte. Zweimal war Lady Angkatell herein- und wieder hinausgeschwebt, und jedes Mal hatte sie ihm freundlich irgendwelche Fragen hingeworfen, auf die es wirklich keine intelligente Antwort gab.
    Also war er hierher nach draußen gekommen, um über seine Lage zu grübeln. Widerwillig hatte er sich eigentlich nur auf das Wochenende eingelassen, aber das verlängerte sich jetzt infolge irgendwelcher Erfordernisse im Zusammenhang mit einem plötzlichen, gewaltsamen Tod.
    David hatte am liebsten die kontemplative Ruhe des traditionellen Akademikerlebens oder ernsthafte linke Zukunftsdebatten. Für den Umgang mit einer gewalttätigen, realistischen Gegenwart war er völlig ungeeignet. Er las eben, wie er Lady Angkatell erklärt hatte, nicht die News of the World. Und die News of the World waren jetzt offenbar ausgerechnet ins »Eulenhaus« gekommen.
    Mord! David schauderte angewidert. Was würden seine Freunde denken? Wie »nahm« man, sozusagen, einen Mord? Wie verhielt man sich da?

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