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Das Eulentor

Das Eulentor

Titel: Das Eulentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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die angeforderte Ausrüstung zu einem Spottpreis, die Technische Fakultät in Wien bezahlte die Rechnung und erhielt dadurch das Verwertungsrecht sämtlicher Forschungsergebnisse. Bedingung war jedoch, daß ein Ingenieur der Berliner Motoren-Werke die Forschung vor Ort leitete und überwachte. Da Oskar Lindemann und mir nichts anderes übrigblieb, erklärten wir uns mit diesem Kompromiß einverstanden.
    Und genau jene Übereinkunft verursachte mir Magenschmerzen. Zusätzlich lag mir Hansen seit Wochen in den Ohren, da uns das Projekt stückweise aus der Hand glitt. Er hatte ja recht, aber uns blieb keine Alternative. Wie es mit dem Unternehmen weiterging, hing von so vielen Fragen ab, denen ich bis jetzt beharrlich ausgewichen war. Aber sie drängten sich immer wieder auf. Ja, es war unser Projekt und unsere Entdeckung, aber wir waren nun mal nicht die Besitzer des Schachts. Wir hatten ihn weder gekauft, noch konnten wir ihn verkaufen – und da wir über keine eigenen finanziellen Mittel verfügten, gab es keine andere Möglichkeit, als den Geldgeber den Ton bestimmen zu lassen. Aber wie es schien – und das war der einzige Lichtblick –, vertrauten mir die neuen Herren, obwohl ich kein Bauingenieur, sondern nur ein gewöhnlicher Arzt war. Zumindest hatte ich die Technik ausarbeiten dürfen, nach der wir nun vorgehen würden, und ich deutete es als gutes Zeichen, daß meine Vorschläge in Berlin nicht abgelehnt worden waren.
    Nach dem Ausladen legte die Skagerrak wieder ab, und die Isländer begannen, die Baumaterialien mit ihren Schlitten nach oben zu transportieren. Uns blieben noch vier Wochen Zeit, den Plan in die Tat umzusetzen, dann würde Gottfried Brehm von den Berliner Motoren-Werken mit seiner Ausrüstung im Fjord ankommen.
     
    *
     
    Einen Monat später legte der deutsche Wissenschaftler wie angekündigt mit dem Schiff in der Walroßbucht an, um die nächsten vierzehn Tage in der Basisstation zu verbringen. Hansen und ich empfingen Ingenieur Gottfried Brehm auf der Holzmole, welche die Isländer errichtet hatten, und die vom Ufer einige Meter in den Fjord reichte. Falls ich bis dahin gedacht hatte, mit Oskar Lindemann von der Wiener Fakultät den Inbegriff der Arroganz kennengelernt zu haben, hatte ich mich kräftig getäuscht.
    Brehm, ein hagerer Mann um die vierzig, der mir bis zur Schulter reichte, machte dem Auftreten eines blasierten Staatsmannes alle Ehre. Das um die Ohren und im Nacken kahl rasierte und auf dem Kopf exakt gescheitelte Haar verlieh ihm das dazu passende Aussehen. Nase und Wangen schimmerten blaß, und hinter der runden Stahlfassung seiner Brille verbargen sich scharfe Augen, die mich skeptisch musterten. Sofern mich meine Menschenkenntnis nicht trog, war er ein bürokratischer Analytiker, der nichts aus dem Bauch entscheiden konnte. Gott, was hatte ich nur verbrochen? Im Vergleich dazu wirkte Jan Hansen mit seinem gelben Backenbart, den schmutzigen Fingernägeln, der ölverschmierten Latzhose und den Rußflecken auf der Stirn wie der Matrose eines russischen Kohlenfrachters.
    Brehm reichte mir die Hand. Gemäß seiner steifen Haltung war der Händedruck ebenso kalt und knapp. Er nickte Hansen nicht einmal zu. Offensichtlich glaubte er, einen zerlumpten Arbeiter vor sich zu haben, der ihm das Gepäck abnehmen würde. Wie ich ahnte, schmeckte das dem Walfänger nicht besonders und sollte gewiß noch für böses Blut sorgen.
    Als Brehm den Mund öffnete, kam bloß ein Krächzen heraus. »Sie haben mich gezählte fünf Minuten in der Kälte warten lassen!« Der Wind zerrte an seinem Schal.
    Ich warf Hansen einen kurzen Blick zu. Was waren schon fünf Minuten im Anbetracht der Ewigkeit des Eises?
    Als wolle Brehm mit seinem wichtigtuerischen Gehabe den Mangel seiner Größe wettmachen, schlug er mit dem Gehstock auf die gefrorenen Holzbohlen, um die Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. »Lassen Sie meine privaten Utensilien ohne Verzug von der Anlegestelle abholen und auf die Station transportieren. Wir sprechen von zwei großen Seekisten mit Büchern und Instrumenten, die ich nicht zu lange der Kälte aussetzen möchte – sowie drei großen Paletten mit Forschungsmaterialien. Außerdem verlange ich eine komplette Auflistung aller Arbeiter samt Lebenslauf.« Brehm preßte die Lippen aufeinander.
    Das fing ja gut an.
    »Wo sollen wir die herzaubern?« Hansen lehnte seinen Krückstock gelassen an eine Proviantkiste, um sich mit der freien Hand eine Zigarre anzustecken. »Die Männer

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