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Das Eulentor

Das Eulentor

Titel: Das Eulentor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Gruber
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Hundezwingers leuchtete der flackernde Schein einer Petroleumlampe. Sogleich rannte ich auf den Stall zu. Die Tür war angelehnt. Drinnen stand Gjertsen, die Hände voll mit Dynamitstangen, daneben Marit mit der Lampe.
    »Seid ihr verrückt!« herrschte ich sie an. »Wollt ihr uns umbringen? Nicht so nah mit dem Feuer an das Dynamit!«
    Benommen wichen sie auseinander. Da erkannte ich den Grund, weshalb Gjertsen so laut geschrien hatte. Das Stroh war im Umkreis von einigen Metern mit Blut besudelt. Dazwischen lagen schwarze Stoffetzen. Die Körper der beiden Huskies dampften noch. Aus ihren aufgerissenen Bäuchen quollen die Eingeweide. Sichtbar entwich die warme Luft, als hauchten die Körper ihren letzten Lebensfunken aus. Wie durch ein Wunder hatte der dritte Husky überlebt. Roy war der kleinste und erst zwei Jahre alt. Seine Pfoten sahen aus, als trage er weiße Socken. Mit dem schwarzen Fleck um das eine Auge wirkte er wie ein Pirat, doch im Moment haftete nichts Tollkühnes an ihm. Winselnd verkroch er sich in eine Ecke.
    Marits Hände zitterten. Fassungslos starrte sie auf die Kadaver. »Wer macht so etwas?«
    Gjertsen trat an mich heran. »Was haben Sie dort unten gesehen?«
    »Ich weiß es nicht, aber was immer es war – es ist bereits hier in der Station.« Ich blickte auf das Dynamit in seinen Armen. Es mußten an die fünfzehn Stangen sein, jede davon vierzig Zentimeter lang und so dick wie ein Spazierstock. »Ist das alles?«
    »In einem weiteren Vorratslager haben wir noch einmal so viel, etwa dreißig Zündhütchen und zwei Luntentrommeln.«
    »Wir nehmen alles. Damit verminen wir nicht nur den Schacht, sondern die gesamte Station.«
    »Sie wollen alles in die Luft jagen?« fragte Gjertsen.
    »Haben Sie eine bessere Idee?«
    Er antwortete nicht.
    »Sie und Marit haben bis zum Morgengrauen Zeit. Ich kümmere mich um den Rest. In drei Stunden brechen wir auf.« Ohne weiteren Kommentar wandte ich mich ab und lief zurück ins Hauptgebäude.
    Während Marit und Gjertsen sowohl das Dynamit als auch Hunderte Meter Lunte zusammentrugen, schleppte ich eine Kiste Hundekuchen aus der Vorratskammer zum Ausgang, wo ich sie neben dem Rucksack plazierte. Auch wenn es hart und herzlos klang, aber da nur noch ein Hund am Leben war, mußten wir auf dem Schlitten weniger Futter in die Bucht schaffen. Und da die Zeit drängte, war mir jedes Mittel recht, um die Station so rasch wie möglich zu verlassen.
    Als nächstes lief ich in Björns und Nilsens Kammer, aus der ich Pullover und Rentierjacken für uns holte. Schneeschuhe, Schneebrillen, Decken, Schlafsäcke und ein Notzelt für drei Mann trug ich aus dem Magazin zusammen. Im Kasino fand ich einen Gaskocher, eine Gasflasche und zwei unbenutzte Petroleumlampen. Mittlerweile hatte ich beim Ausgang so viele Sachen zusammengetragen, daß man damit einen großen Schlitten vollpacken konnte. Aber das war noch längst nicht alles. Mein letzter Weg führte in Brehms Büro.
    Als ich durch den Korridor der Station lief, stolperte ich beinahe über eine Lunte, die quer über dem Holzboden lag. Marit und Gjertsen hatten bereits den gesamten Schachtraum vermint, Sprengladungen an den ersten zehn Metern der Felswand angebracht und waren gerade dabei, die Dynamitstangen in den Gängen und anderen Räumen zu deponieren. Die Zündschnüre schlängelten sich zwischen den Petroleumlampen wie schwarze Linien durch die Korridore. Sobald sich Marit bewegte, folgte ihr Roy wie ein verschrecktes Hündchen und lief ihr ständig zwischen den Beinen umher. Dabei streifte er mit dem Schweif eine Lampe, die zu wackeln begann, gegen die Wand schlingerte und fast umkippte.
    »Marit! Schaffen Sie den Hund hier raus!« fauchte ich sie an.
    Sie fuhr entsetzt herum. »Nein, er …«
    »Marit, der Hund wir uns noch alle umbringen.«
    »Wenn ich ihn rauslasse, wird er genauso sterben wie die anderen.«
    Ich war knapp davor die Nerven zu verlieren. »Dann legen Sie ihn an die Leine oder sperren ihn in eine Kammer – aber lassen Sie ihn nicht frei herumlaufen!«
    Marit packte das Tier am Halsband und verschwand damit in Rönnes Kammer. Ich lief weiter in Brehms Büro. Ich wußte, daß mich der Vorstand der Investorengruppe ans Kreuz nageln würde, wenn ich die gesamte Station – das Resultat von über zwei Jahren harter und kostspieliger Arbeit – in einem Anfall von Panik in Schutt und Asche legte. Andererseits waren innerhalb der vergangenen Tage fünf Menschen gestorben, und wenn ich wollte, daß

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