Das Evangelium nach Satan
hinter ihnen über die Straße eilt, denn ihre ganze Aufmerksamkeit gilt einem grünen Lieferwagen, der weiter vorn gestanden hat und sich jetzt langsam in Bewegung setzt. Barbi, der vor Wut fast blind ist, sieht ohnehin nur Giovanni und das Kreuz auf dessen Soutane.
Cerentino gibt vier Schüsse ab. Zwei Leibwächter sinken zu Boden. Der dritte drängt den alten Barbi an die Mauer, während dessen Fahrer aus nächster Nähe vier Schüsse auf Cerentino abgibt. In Brust und Hals getroffen, kann der Hauptmann noch eine Kugel abfeuern, die den Fahrer mitten in der Stirn trifft. Barbi ruft: »Um Gottes willen, das Kreuz! Nehmt ihm das Kreuz ab!«
Der letzte Leibwächter, der den Alten mit seinem Körper deckt, zieht seine Pistole und zielt auf den Kardinal. Unfähig, sich zu bewegen, sieht Giovanni die auf ihn gerichtete Waffe. Der Mann, der nur ein Dutzend Schritte von ihm entfernt steht, kann sein Ziel unmöglich verfehlen. Doch in diesem Augenblick stößt der grüne Lieferwagen mit quietschenden Reifen in die Lücke zwischen Giovanni und dem Leibwächter. Die Hecktüren öffnen sich und zwei Männer von Crucia Malta feuern ihre Maschinenpistolen auf Barbi und den Leibwächter ab, die blutüberströmt zusammenbrechen.
In der Ferne jaulen Sirenen. Während die beiden aussteigen, um dem Alten, der über den Boden kriecht, den Rest zu geben, ruft der Fahrer des Lieferwagens Giovanni zu: »Bringen Sie sich in Sicherheit, Eminenz, aber rennen Sie nicht. Nehmen Sie die Gasse unmittelbar vor sich, dann einmal rechts Richtung Hafen, und dann links auf die Türme von Sankt Paul zu. Alles andere ergibt sich von selbst.«
Giovanni überquert die Republic Street. Er blickt nach rechts. Ein zuckendes Blaulicht nähert sich. Bevor er in die angegebene Gasse einbiegt, sieht er sich rasch um. Die Männer von Crucia Malta laden Hauptmann Cerentino in den Lieferwagen. Die junge Frau ist aus der Lazio-Bank herausgekommen. Mit einem entsetzten Aufschrei schlägt sie sich die Hände vors Gesicht, als sie Giancarlo Barbi leblos am Boden liegen sieht. Einer der Männer von Crucia Malta tritt von hinten an sie heran und setzt ihr den Lauf seiner Waffe an den Kopf. Ein Knall. Blut spritzt auf den Gehsteig. Die junge Frau stürzt auf die Knie.
Giovanni wendet den Blick ab und geht in Richtung Hafen. Er hört, wie der Lieferwagen mit quietschenden Reifen davonfährt. Die Sirenen kommen näher. Schon bald sieht er die Türme von Sankt Paul.
17
Aus den Weihrauchfässern steigt kräftig riechender, dichter Nebel zur Decke der Sixtinischen Kapelle empor. Der Camerlengo tritt zu dem Kardinal, auf den sich das Konklave im zweiten Wahlgang geeinigt hat. Er stellt sich auf die Zehenspitzen und fragt ihn, ob er bereit sei, die Bürde des Amtes zu übernehmen. Der neue Papst bejaht die Frage. Er ist bereit, Gottes Willen zu erfüllen. Daraufhin führt ihn der Camerlengo in eine geheime Kammer, wo der Gewählte der Tradition nach weinend über die ihm bevorstehenden schweren Prüfungen nachdenken soll. Doch seine Augen bleiben trocken. Dann fragt ihn der Camerlengo, für welchen Namen er sich entschieden hat. Der neue Papst beugt sich vor und flüstert ihm den Namen ins Ohr. Campini quittiert das mit breitem Lächeln, nimmt ihm das Kardinalsgewand ab und hilft ihm beim Schließen der zahlreichen Knöpfe des weißen Papstgewands. Während der oberste Notar des Konklaves die Stimmzettel verbrennt, gibt der Camerlengo Anweisung, die Fenstertüren vor dem zum Petersplatz liegenden Balkon der päpstlichen Gemächer zu öffnen.
Gemeinsam mit dem neuen Papst verlässt er die Sixtinische Kapelle, um durch das Gewirr von Treppen und Gängen das erste Stockwerk der Basilika aufzusuchen. Unter den Schritten derer, die ihnen folgen, knarrt das Parkett. Noch einmal beugt sich der Gewählte zum Camerlengo und sagt: »Lassen Sie die Türen zur Basilika gleich nach der Ankündigung öffnen, damit das Hochamt unverzüglich beginnen kann.«
Der alte Camerlengo nickt. Am Ende des Gangs stehen die Balkontüren offen. Die Geräusche der auf dem Petersplatz versammelten Menge dringen herein.
»Noch eins. Demnächst wird ein Mönch hier erscheinen, der das Evangelium bringt. Sagen Sie den Gardisten, sie sollen ihn unverzüglich und unbehindert einlassen.«
»Gewiss, Großmeister.«
18
Die Sirenen sind nicht mehr zu hören. Giovanni wendet sich nach links, geht auf die Türme von Sankt Paul zu. Seine Soutane ist verschwitzt. Die Fensterläden der alten Gebäude, an
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