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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Graham
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Christenheit in den Schmutz zieht. Während sein Gesicht erscheint und er den Menschen die Hände entgegenstreckt, hört der betäubende Lärm, der bei der Ankündigung des Camerlengos aus der Menge aufgestiegen war, von einem Augenblick auf den anderen auf. Geschrei wie Beifall sind verstummt. Nur noch Einzelne klatschen, dann hören auch sie auf.
    Schweigend und mit kaltem Blick sieht der neue Pontifex Maximus auf die Menge, während die Kameras der großen Fernsehgesellschaften die ganze Welt zu Zeugen der allgemeinen Verblüffung machen, die sich der Menschen bemächtigt hat. Kommentatoren und Spezialisten ergehen sich in langen und gewundenen Aussagen über den Fehlgriff, den der neue Papst mit seiner Entscheidung für diesen Namen getan hat. Während der Camerlengo das Mikrofon auf dem Balkon einstellt, knattert und pfeift es in den Lautsprechern. Abermals tritt Stille ein. Dann erklärt der neue Papst mit eisiger Stimme, in der Geschichte der Kirche sei eine neue Seite aufgeschlagen und die Stunde nicht mehr fern, in der bedeutende Geheimnisse enthüllt werden sollen. Finsteres Murren erhebt sich auf dem Platz, als die Menschen sehen, dass er sich gleich darauf vom Balkon zurückzieht. Dann Stille. Man hört nur noch den Wind.
    Während sich die Türen der Basilika wieder öffnen, dringen Orgelklänge heraus. Auf den riesigen Bildwänden um den Petersplatz, die Techniker des Vatikans dort aufgestellt haben, können die Gläubigen, die keinen Zutritt finden, dem Hochamt folgen. Erneut tritt Stille ein. Valentina wählt auf ihrem Mobiltelefon eine Nummer.

22
    Seufzend klappt Crossman seinen Rechner zu. Giovanni sieht ihn an und fragt: »Und jetzt?«
    »Was meinen Sie mit ›Und jetzt‹?«
    »Was gedenken Sie zu unternehmen?«
    »Was kann ein Wassertropfen gegen den Ozean unternehmen? Novus Ordo ist ein so ungeheures Netz, dass ich möglicherweise selbst ein Teil davon bin, ohne es zu ahnen.«
    »Ist das alles?«
    »Was soll ich Ihrer Ansicht nach tun? Etwa in den frühen Morgenstunden eine Razzia durchführen und Männer an der Spitze von Randorganisationen des Novus Ordo festnehmen lassen? Das wäre selbstverständlich möglich.«
    »Und warum tun Sie es nicht?«
    »Weil es keine zwei Stunden dauern würde, bis andere Mitglieder des Netzes, die wir nicht kennen, an ihre Stelle träten. Damit würde man die Ergebnisse der dreißigjährigen Mühe Ihres Kollegen Valdez wertlos machen. Selbst wenn es durch ein Wunder gelingen sollte, an einige der eigentlichen Köpfe der Organisation heranzukommen, würde deren Festnahme nicht das Geringste ändern. Solche Netze funktionieren genauso wie die Mafia, die ausgefallene Paten augenblicklich durch andere ersetzen kann. Nur müssen Sie sich das als eine Mafia in der tausendsten Potenz vorstellen. Mit dieser Organisation geht es uns wie Herkules mit der Hydra: Schlägen Sie ihr einen Kopf ab, gleich wachsen hundert neue nach.«
    »Man könnte das Ganze an die Presse geben.«
    »An welche? Etwa an die örtlichen Käseblätter, die Gratiszeitungen oder die Anzeigenblätter?«
    »Warum nicht an die großen überregionalen Zeitungen?«
    »Weil die meisten von denen mehr oder weniger direkt den Aktionären von Novus Ordo gehören. Was würde das bewirken? Dabei käme nichts als ein neues Gerücht heraus.«
    »Immerhin sind wir im Besitz der Organigramme von Valdez. Das ist doch Beweismaterial!«
    »Leider nein, Eminenz. Es ist kein Beweismaterial, sondern liefert lediglich Grund zu Vermutungen. Vielleicht könnten wir im Netz des Novus Ordo eine Panik kleineren Ausmaßes bewirken, wenn wir dies Material ins Internet stellen, aber geben Sie sich keinen Täuschungen hin – nützen würde das auch nichts.«
    Gerade als Crossman noch etwas hinzufügen will, vibriert sein Mobiltelefon. Er nimmt es aus der Tasche seines Jacketts und hält es ans Ohr. Er hört Geräusche, Murmeln. Den Lärm einer Menschenmenge. Dann meldet sich die Kommissarin Graziano.
    »Valentina? Was ist da los?«
    »Nichts Gutes. Das Konklave ist beendet. Es hat einen neuen Papst gewählt.«
    »Und wen?«
    Schweigend hört sich Crossman die Antwort an. Valentina fährt fort: »Gleich wird in der Basilika ein feierliches Hochamt zelebriert. Ich vermute, dass der Schwarze Rauch bei dieser Gelegenheit die Existenz des Evangeliums bekanntgeben will …«
    »Bleiben Sie am Apparat, ich melde mich gleich wieder.«
    Er drückt auf eine Taste, schaltet auf den zweiten Anruf um, der sich durch einen Signalton

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